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Heimann, Betty

Geb. 29.3.1888 in Hamburg, gest. 19.5.1961 in Sirmione (Gardasee).[1]

 

Als Tochter eines Bankiers erhielt sie Privatunterricht und absolvierte 1913 extern ein Abitur in Hamburg. Danach Studium der Indologie und klassischen Philologie in Kiel, Heidelberg, Göttingen und Bonn. In Kiel fand sie bei dem Indologen Paul Deussen (1845 - 1919) ihren fachlichen Schwerpunkt bei philosophischen Fragen in der Auseinandersetzung mit indischen Quellen, wobei sprachanalytische Fragen auf die Rolle eines (allerdings unverzichtbaren) Handwerks reduziert wurden. Bei Deussen schloß sie noch ihr Studium ab: 1918 mit dem Staatsexamen; das Promotionsverfahren konnte sie erst nach dessen Tod 1921 abschließen. Von 1920-1921 war sie Assistentin an Klassischen Seminar in Kiel. Nachdem die Universität Heidelberg ihr für ihre Dissertation einen Preis verliehen hatte, versuchte sie dort indologisch zu habilitieren, was aber auf fachliche Widerstände stieß (vor allem Lüders beanstandete ihre Ausrichtung). 1923 wurde sie dann an der Univ. Halle habilitiert, erhielt aber erst 1926 einen besoldeten Lehrauftrag. 1931 wird sie zur (nicht beamteten) a.o.Prof. ernannt. In diesem Jahr erhält sie einen Preis für ihre Arbeit zum indischen Denken, s.u., der ihr eine mehrmonatige Forschungsreise nach Indien ermöglichte.

1933 wurde sie wegen anti-rassistischer Äußerungen denunziert[2] und (aus rassistischen Gründen) entlassen, während sie auf einer Vortragsreise in England war. Sie blieb dort und erhielt zunächst einen Lehrauftrag für Sanskrit und indische Philosophie an der Londoner »School of Oriental Studies«, ab 1936 eine Dozentur. 1938 hatte sie eine Gastdozentur an der Universität Brüssel. Zeitweise lehrte sie auch in Oxford. Sie figurierte in dieser Zeit in den Listen der Londoner Notgemeinschaft. 1939 nahm sie die britische Staatsbürgerschaft an. 1945-1949 lehrte sie an der Universität von Ceylon, wo sie eine Abteilung für Sanskrit aufbaute. Nach der Emeritierung dort kehrte sie 1949 nach London zurück. 1957 wurde sie rückwirkend ab 1935 zur o. Prof. an der Univ. Halle ernannt.

Der Schwerpunkt ihrer Arbeit lag durchgehend auf dem Gebiet der indi­schen Philosophie. In ihrer Dissertation »Madhva's (Anandatirtha's) Kommentar zur Kāṭhaka-Upaniṣad«[3] präsentierte sie eine kritische Edition (S. 16-29) dieses Quellentextes des Hinduismus (Madhva lebte im 12. Jhd.), die im Gegensatz zu den bis dahin vorliegenden indischen Ausgaben nach ihrem eigenen Anspruch europäischen Standards genügen soll (so in der Einleitung). Neben der quellenkritischen Aufarbeitung zielt ihre Kommentierung darauf, vor allem die späteren »spekulativen« Elemente der indischen Überlieferung zu entfernen. Auch ihre späteren Arbeiten sind oft ausdrücklich philologisch-formal gestützt, haben aber die Auseinandersetzung mit indischen Denkformen zum Gegenstand, die sie kontrastiv zu europäischen untersuchte, wobei sie immer auch die sprachlichen Ausdrucksformen analysierte. Dazu veröffentlichte sie schon früh Aufsätze in philosophischen Zeitschriften, von denen sie einige unter dem Titel »Studien zur Eigenart indischen Denkens«[4] zusammengefaßt hat (was ihr 1931 den o.g. Preis eingebracht hat). Dabei war sie bemüht, die Einheit indischer Denktraditionen von den Upaniṣaden bis zu Ghandi im kursorischen Referat philosophischer indischer Traktate aufzuzeigen. Einen besonderen Akzent legte sie auf die kulturell-historischen Bedingungen dieser Einheit, jenseits der ethnisch-rassischen Vielfalt auf dem indischen Subkontinent – indirekt ein deutlicher Kommentar zu den Verhältnissen in Deutschland.

Mit genuin sprachwissenschaftlichen Prämissen wendete sie sich gegen die mehr oder weniger spekulative Deutung iso­lierter sprachlicher Erscheinungen und betrachtet z.B. die Bildungsmu­ster von Personennamen vor der Folie der Wortbildung im sonstigen Lexikon (etwa der Tierbezeichnungen, s. »Zur in­dischen Namenkunde«).[5] Dabei bezieht sie die spezifische Praxis des Umgangs mit Personennamen auf indische Kulturformen (Volksetymologie, magische Prakti­ken), in expliziter Anlehnung an Überlegungen von W. Wüst (ne­ben dem Bezug auf W. Schulzes Modelluntersuchung über lateinische Personennamen). Auch wenn in ihren späteren Arbeiten die philosophische Fragestellung dominierte, verband sie diese mit sprachwissenschaftlicher Methodik. So legte sie 1951 eine Studie zur philosophischen Terminologie im Sanskrit vor, die deren Strukturiertheit in Hinblick auf die besondere Transparenz der Wortbildung nachgeht, wo die Termini, anders als im sonstigen Wortschatz, durch Präfixe als semantische Vektoren vernetzt sind (»The signifi­cance of prefixes in Sanskrit philosophical terminology«).[6] Entsprechend ihren besonderen Interessen vergleicht sie hier die Terminologieausbil­dung in verschiedenen philosophischen Schulen (z.B. auch in Hin­blick auf die Zulassung von semantisch gegensinnigen Präfixen u.ä.). Außerhalb ihrer spezifisch wiss. Arbeiten, über die sie oft auf internationalen Kongressen vortrug, war sie seit 1931 in der In­ternational Federation of Univ. Women engagiert.

Q: LdS: temporary; Kürschner 1961; DBE 2005; Sternfeld/Tiedemann 1970; Heuer 1992ff.; Boedeker/Meyer-Plath 1974; Materialien im IfZ; Bibl. Jud.; Walk 1988; BHE; Hanisch 2001: 35; Stengel (2013: 162 -167 [U.Wolfradt]).

 



[1] Nicht zu verwechseln mit der Philosophin Betty Heimann (1885 Hamburg-1926 Leiden/Holland), die ihre Cousine war, s. zu dieser bei K. Hamburger.

[2] S. Heiber 1991: 330.

[3] Kiel 1920 (maschinenschriftlich), 73 S.

[4] Tübingen: Mohr 1930.

[5] In: »Studia Indo-Iranica. FS W. Geiger«, Leipzig: Harrassowitz 1931: 139-155. Herausgeber der FS war der spätere NS-Aktivist W. Wüst.

[6] = Royal Asiatic Society Monographs 25, London 1951.