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Goldberg, Lea(h)

Geb.  29.5.1911 in Königsberg, gest. 15.1.1970 in Jerusalem

 

G. lebte als Kind mit ihren jüdischen Eltern in Rußland bzw. in Litauen, das bis zur deutschen Besetzung 1915 zu Rußland gehörte; dadurch war sie auch im Russischen zuhause. Als Familiensprache ist Jiddisch anzunehmen, Deutsch war ihre Bildungssprache. Sie erhielt zunächst Privatunterricht und ging seit 1920 auf das Hebräische Gymnasium in Kaunas (russ. Kovno), wodurch sie gute Hebräisch-Kenntnisse erwarb; früh schrieb sie schon Gedichte auf Hebräisch. Nach dem Abitur 1928 begann sie in Kaunas ein Studium der Semitistik (zunächst auch noch Germanistik), zu dessen Fortsetzung sie 1930 nach Berlin ging, wo sie es 1932 mit einem Examen abschloß. Zur Promotion ging sie danach nach Bonn zu Kahle, bei dem sie 1933 nach der Vorlage der Dissertation die Prüfungen ablegte. Bei der Ausarbeitung der Dissertation wurde sie von Kahles Assistent K. Levy unterstützt.

Ihre Dissertation „Das samaritanische Pentateuchtargum. Eine Untersuchung seiner handschriftlichen Quellen"[1] war in gewisser Weise eine Fortschreibung von Kahles eigener Arbeit (s. schon dessen Dissertation von 1898), der ihr auch seine von ihm später noch kollationierten Textzeugen einschließlich seiner vergleichenden Analysen überlassen hatte. Ausgangsposition ist die Annahme, daß es in dieser aramäischen Tradition nicht zur Etablierung eines kanonischen Textes gekommen ist, weil einerseits in der mündlichen Praxis des Umgangs mit dem Bibeltext das Aramäische vom Arabischen verdrängt wurde, andererseits für liturgische Zwecke ohnehin der hebräische Text maßgeblich blieb. Ziel kann daher nur sein, die Verhältnisse in der relativ großen Zahl von handschriftlichen Abschriften der Targume zu rekonstruieren, statt diese auf einen vorgeblichen „Urtext" zurückzuführen. G. lieferte eine deskriptive Bestandsaufnahme der ihr zugänglichen Quellen, von der rein graphischen Variation, über eine solche, die auf Verständnisschwierigkeiten beim Text schließen läßt, bis hin zu texterläuternden Varianten, die sie stilistisch als „volksprachlich" bestimmte (z.B. in paronomastischen Paraphrasierungen, S. 57). Von Kahle hatte sie auch die explizit sprachwissenschaftliche Zielsetzung ihrer Untersuchung übernommen, auf diese Weise den „Bau des palestinensischen Aramäischen" zu erschließen. Ihre relativ orthodoxe Einstellung zum Gegenstand zeigt sich in der durchgängigen Differenzierung einer „jüdischen" gegenüber eine „samaritanischen" Tradition: „jüdisch" ist für sie die hebräische.

Unter dem Eindruck der rassistischen Repression kehrte G. nach 1933 nach Litauen zurück, wo sie u.a. als Lehrerin tätig war und die Druckfassung der Dissertation ausarbeitete, brieflich von Kahle betreut. 1935 legte sie die gedruckte Arbeit vor und wanderte nach Palästina aus (zunächst nach Tel Aviv), wo sie am Theater und für Verlage und vor allem auch journalistisch tätig war. Dabei wurde sie zu einer wichtigen Figur in der Literaturszene. Die Korrespondenz mit Kahle hielt noch einige Zeit an, in der dieser sie zur Fortsetzung ihrer semitistischen Arbeit anhielt. Sie publizierte eine große Zahl literarischer Texte, aber auch zahlreiche Übersetzungen aus den europäischen Sprachen (bes. auch aus dem Russischen). 1954 wurde sie zur Dozentin für Literaturwissenschaft an der Universität Jerusalem, seit 1963 leitete sie dort die Abteilung für vergleichende Literaturwissenschaft.

 

Q: V und Eintrag im Promotionsalbum der U Bonn (zugäglich gemacht von Frau S. Hamann-Reintgen, Univ.Archiv Bonn); S. Sielke, L.G. (1911-1970). Lyrik, Literaturwissenschaft, Exil, in : Vor Bilder. Wissenschaftlerinnen der Universität Bonn. Bonn: Universität 2012 (Ausstellungskatalog); Y.Weiss, L.G. und die exilierte semitische Philologie, Vortrag an der Universität Hamburg am 30.1.2012 (Video https://lecture2go.uni-hamburg.de/veranstaltungen/-/v/13206)

 


 

[1] Stuttgart: Kohlhammer 1935.