Goldman, Maurice (Moses) David
Die Familiensprache war Jiddisch (neben Polnisch), das er in der Schule zum Hochdeutschen »ausbaute« (Hebräisch hatte er bereits als Kind mit dem jüdischen Vater gelernt). Nach der Schulausbildung in Gostynin und Łodz legte er das Abitur 1917 ab und begann in Warschau mit dem Studium der Medizin, das er 1919 aber abbrach, um ab 1920 in Berlin Orientalistik zu studieren. In Deutschland lebte er mit einem polnischen Paß. Für die Promotion 1925 mußte er noch das Graecum nachholen. In der von Mittwoch betreuten Dissertation »Zu den Arabismen bei den hebräischen Übersetzern des Maimonides. Ein Beitrag zu der Entwicklungsgeschichte der hebräischen Sprache des Mittelalters«[1] untersuchte er den Ausbau des Hebräischen zu einer funktionsadäquaten zeitgenössischen Schriftsprache nach dem Modell des Arabischen im mittelalterlichen Spanien: neben lexikalischen Lehnbildungen geht er systematischer auf die Modellierung der grammatischen Ressourcen auf den verschiedenen Ebenen der Morphologie (z.B. zum Verbalsystem mit seinen Aspektoppositionen) und der Syntax ein. Im Vorwort betont er, daß der mittelalterliche Ausbau des Hebräischen unter den Bedingungen der gesellschaftlichen Symbiose von Juden und Arabern im mittelalterlichen Spanien ein Modell für den zeitgenössischen Ausbau des Hebräischen in Palästina sei: für das sich dort herausbildende Ivrit gilt seiner Meinung nach das, was er für das mittelalterliche Hebräische diagnostiziert: »Immer wieder, und zwar mehr als aus den anderen semitischen Sprachen, wird man aus dem an Formenreichtum allen weit überlegenen Arabisch schöpfen müssen, um die in der hebräischen Sprache entstandenen Lücken auszufüllen« (S. IV). Er betont diesen Gesichtspunkt ausdrücklich als seine Motivation für die Dissertation.
Von 1927 bis 1932 war er vermutlich Assistent am Orientalischen Seminar in Berlin, wo er bei Mittwoch vor allem zum Äthiopischen arbeitete. Dort beschäftigte er sich insbesondere mit den (schwarzen) jüdischen Gemeinschaften der Falascha.[2] Eine vorgesehene Forschungsreise nach Äthiopien im Auftrag der Preußischen Akademie der Wissenschaften war bereits genehmigt, kam dann aber aus Mangel an Finanzmitteln nicht zustande. Ergebnis seiner Arbeiten zum Äthiopischen war in dieser Zeit seine hebräische Übersetzung des nur in einer äthiopischen Version überlieferten apokryphen »Jubiläen-Buchs« (»Kleine Genesis«). Von 1932-1935 lehrte er Hebräisch und Aramäisch am Jüdischen Lehrerseminar in Berlin; 1935-1938 Islamkunde, Arabisch und (Alt-)Äthiopisch an der Lehranstalt für d. Wissenschaft d. Judentums dort. In dieser Zeit arbeitete er an der Judaica mit und edierte arabische Werke. Auf seinen Unterricht am Lehrerseminar geht auch ein fünfbändiges Hebräisch-Lehrbuch zurück, das 1933-1934 sowohl in Berlin wie in Tel Aviv (Palästina) erschien.[3]
Ende 1938 entkam er einer drohenden Verhaftung durch die Gestapo, nachdem er sich in einem Vortrag despektierlich über Hitler ausgelassen hatte (s. Apple Q), und reiste nach Australien aus, wo seine Schwester seit 1929 beruflich etabliert war. Hier war er von 1939-1945 als Übersetzer bzw. Zensor für europäische und orientalische Sprachen beim Verteidigungsministerium in Melbourne tätig, daneben Gastdozent für Hebräisch und Arabisch an der Univ. Melbourne. 1944 wurde er eingebürgert. Er war aktiv in einer (liberalen) jüdischen Gemeinde in Melbourne, wo er von einer zionistischen Position aus das jüdische Bildungssystem reformieren half (wobei er durchaus Widerstände von nicht-zionistischen Positionen aus zu überwinden hatte). Er lehrte Hebräisch an den jüdischen Schulen und schrieb dazu auch ein elementares Lehrbuch »Limda Yaldi« (hebr. »Lerne, mein Kind!«), das 1956 in Melbourne erschien.[4]
1945 wurde für ihn an der Universität Melbourne eine Stiftungsprofessur für Semitisch eingerichtet, aus der die spätere Abteilung für Semitistik hervorging, die er bis zu seinem Tod leitete. Hier lehrte er die Semitistik in ihrer ganzen Breite, bei den Sprachen mit Blick auf die besondere Konstellation im Einwanderungsland Australien, also mit Einbezug des Maltesischen. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit waren Bibelstudien, die er vor allem auch mit einer überkonfessionellen Ausrichtung betrieb. Bis zu seinem Tod arbeitete er an einem äthiopischen vergleichenden Wörterbuch, mit dem er seine frühen Berliner Studien fortsetzte, das er aber nicht mehr vollenden konnte.
Q: V; BHE; G. Meyer, »Professor D. G.«, in: »Melbourne Univ. Characters and Controversies«, Chiaroscuro, Parkville: Univ. Melbourne History Dept. 2001: 69-79; A. R. Chisholm, »M. D. G.«, in: ders., »Men were my milestones«, Melbourne: Melbourne UP 1958: 126-133; Nina Christesen, »Goldman, Maurice David (1898-1957)«, in: »Australian Dictionary of Biography«, Vol. 14, Melbourne UP 1996: 286-287; R. Apple, »M. D. G. – extraordinary linguist«, in: Journ. Australian Jewish Hist. Soc. 20/4, 2012 (http://www.oztorah.com/2012/07/maurice-david-goldman-extraordinary-linguist/ [Dez. 2012]); Hinweise von M. Clyne.