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Halpert, Inge

 

(geb. Ahrndsen; auch I. David Halpert)[1]

Geb. 5.8.1926 in Berlin, gest. 30.7.2004 in New York.

H. mußte wegen ihrer jüdi­schen Mutter das Gymnasium verlassen. Zur Vorbereitung auf die Emigration in die USA machte sie eine handwerkliche Ausbildung. Emigration 1941 mit der Mutter und deren zweitem Mann: der erste und Vater von H. hatte sich als Nazi von ihr getrennt. Die Emigration verlief einigermaßen abenteuerlich über Frankreich und Spanien. In den USA nahm H. wie die Mutter den Namen ihres Stiefvaters David an. 1944-1948 setzte sie ihre (Schul-)Ausbildung in New York fort (1948 B.A.). Danach Studium der Germanistik an der Columbia Univ. (1950 M.A.; 1957 Ph.D.); ihr ursprünglicher Studienwunsch war aber Mathematik – also ein Fach, das eine maximale Distanz zum biographischen Trauma versprach (wozu auch ihr Kampf gegen den deutschen Akzent in ihrer Englisch-Aussprache gehörte)[2]. Ihr späterer Arbeitsschwerpunkt bei der deutschen Literatur erklärt sich wohl auch als Bearbeitung der Spannung zwischen der Selbstzurechnung zum »Deutschen« auf der einen Seite und der Notwendigkeit, die Traumatisierungen durch den deutschen Faschismus zu bearbeiten, auf der anderen – was eine kulturanalytische (im damaligen akademischen Kontext also: literaturwissenschaftliche) Ausrichtung nahelegte, gegenüber der eine sprachwissenschaftliche Option formalistisch erschienen wäre.[3]

Sie promovierte mit der Dissertation »Hermann Hesse and Goethe, with particular reference to the relationship of Wilhelm Meister and Das Glasperlenspiel«,[4] die zwar von dem eher sprachwissenschaftlich orientierten C. Bayerschmidt[5] betreut wurde, die aber kaum sprachanalytische Bemühungen zeigt. Vielmehr ergeht sie sich dort in textparaphrasierenden Exkursen, die biographisch untermauert werden: demnach versucht Hesse »to emulate« Goethes Bildungsroman (S. 249), sein »moving spirit« »echoes« Goethe (S. 218) usw.

Entsprechend ihrer Lehrtätigkeit erstellte sie aber auch neben literaturwissenschaftlichen Lehrbüchern und Einführungen Sprachlehrwerke für den Deutschunterricht, so daß sie im weiteren Sinne zur Sprachforschung gerechnet werden kann. Das (gemeinsam mit M. Madrigal verfaßte) »See it and say it in German«,[6] das auf einer direkten Methode basiert und zeigen soll, »how easy it is to learn German« (Vorwort), besteht aus einer Art situativ (mit Bildchen) motiviertem Pattern-Drill und reduziert grammatische Informationen auf ein Minimum an paradigmatisch geordneten Formenüberblicken (S. 222-243). Ein vermutlich entsprechendes Schulbuch (»The Child’s modern way to German« 1960) war mir nicht zugänglich.

Seit 1950 unterrichtete sie Deutsch an der Columbia Univ. (1957 Assist. Prof.; 1961 Assoc. Prof.; 1973 o. Prof.; seit 1978 Leiterin der dt. Abteilung). Der Schwerpunkt ihrer Arbeit zeigt sich auch in der Zeitschrift The Germanic Review, die sie seit 1989 allein herausgab, ebenso wie in der Festschrift (Q), die allein literaturwissenschaftlich-kulturanalytisch orientiert sind.

Q: BHE; DAS; Materialien im Arch. IfZ, München; Festschrift: M. M. Anderson (Hg.), Heft 1 von The Germanic Review 78/2003; Nachruf v. 30.9.2004 auf der Homepage der Columbia Univ. (http://www.columbia.edu/cu/news/04/09/ingeHalpert.html, Jan. 2009).

 



[1] Auch nach der eigenen Heirat 1948 mit H. Halpert firmierte sie gelegentlich noch als Inge David Halpert.

[2] S. dazu die biographisch orientierten Aufsätze in ihrer Festschrift.

[3] S. die Analyse des intellektuellen Milieus der Nachkriegszeit in New York bzw. der Columbia Universität in der Festschrift, bes. M. M. Anderson, »The silent generation? Jewish refugee students, Germanistik, and Columbia University«, in: The Germanic Review 78/2003: 20-38.

[4] New York: Columbia Univ. 1957 (Microfiche).

[5] Carl Franz Bayerschmidt (1905-1988), lehrte zunächst an der Univ. Chicago und (seit 1940) an der Columbia Univ. in New York. Schwerpunkte in der Altgermanistik, insbes. Skandinavistik und auch Niederdeutsch. B. war in den USA geboren, hatte aber zeitweise auch in Deutschland studiert.

[6] New York: Signet 1962.