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Krahe, Hans

Geb. 7.2.1898 in Gelsenkirchen, gest. 25.6.1965 in Tübingen.

 

Abitur erst 1919 nach der Weltkriegsteilnahme als Freiwilliger. Studium mit Schwerpunkt der Vergleichenden Sprachwissenschaft in Jena, dort Promotion 1924 und Habilitation 1928. 1934 a.o. Professur in Würzburg, dort 1946 ord. Professor; 1947 bis 1950 in Heidelberg; danach bis zu seinem Tod in Tübingen.

Als Indogermanist führte K. in seinen als Einführungen einflußreichen Büchern die junggrammatische Tradition ungebrochen weiter: so mit seiner »Indogermanischen Sprachwissenschaft«, 2 Bde. (zuerst 1943) und seiner »Germanischen Sprachwissenschaft«, 2 Bde. (zuerst 1942).[1] Sie beschränken sich auf das kanonische Handbuchwissen der Laut- und Formenlehre und sind geprägt von einer ausgesprochenen Abstinenz gegenüber Methodenfragen.[2] Das Gegenstandsverständnis seiner Lehre war breiter, aber von dem gleichen traditionellen Zuschnitt, wie die aus dem Nachlaß publizierten Werke zeigen.[3] Im Fach hatte K. als Hg. des Idg. Jahrbuchs (seit 1940) und als Mithg. der Idg. Forschungen (seit 1944) eine Schlüsselstellung. Sein Forschungsschwerpunkt lag bei der Rekonstruktion alteuropäischer Sprachverhältnisse, u.a. mit der umstrittenen (und auch von ihm später revidierten) Annahme eines illyrischen Sprachzweigs des Ie., wofür er sich auf die geographischen Namen stützte, in denen er Spuren auch der vor-i.e. Besiedelung zu rekonstruieren versuchte. Vor allem die Hydronymie war sein Spezialgebiet, für die er schon 1942 das Archiv für die Gewässernamen Deutschlands begründete.

Im weiteren Sinne gehört K. auch zu den rassistisch Verfolgten, wobei die Ablehnung seiner Berufung 1940 nach Münster gewissermaßen die untere Schwelle der Verfolgung markiert: zwar konnte er den gesetzlich geforderten »Ariernachweis« erbringen und daher auch auf seiner Würzburger Stelle im Amt bleiben, aber eine 1940 von den universitären Gremien in Münster vorgeschlagene Berufung zur Wiederbesetzung der Professur für vergleichende und slawische Sprachwissenschaft wurde von dem damaligen Rektor der Universität, dem Botaniker Walter Mevius (1893-1975), verhindert,[4] der als »Erbbiologe« beim Ministerium mit dem Argument intervenierte, daß K. zwei jüdische Urgroßmütter habe, die »erbbiologisch« als »ein jüdisches Großelternteil« aufzurechnen seien, was einer Berufung entgegenstünde. Das Ministerium folgte dieser Argumentation, der Mevius noch zusätzlich dadurch Nachdruck verlieh, daß er darauf hinwies, daß K. »jede Einsatzbereitschaft für den nationalsozialistischen Staat vermissen läßt«[5].

Q: NDB (M. Faust), Univ. Archiv Münster (Akten zur Wiederbesetzung der Professur für vergleichende und slawische Sprachwissenschaft 1940).[6]



[1] Vielfach neuaufgelegt als relativ preisgünstige »Göschen-Bände« (Berlin: de Gruyter) und auch mehrfach in andere Sprachen übersetzt.

[2] So sind z.B. in seiner »Indogermanischen Sprachwissenschaft«, Bd. 1 (Berlin: de Gruyter 4. Aufl. 1962) neuere Ansätze wie die Laryngaltheorie nicht berücksichtigt, was er damit begründet, daß sie »weder in ihrer Substanz noch in ihrer Methodik als gesichert gelten [kann]« (S. 101).

[3] »Grundzüge der vergleichenden Syntax der indogermanischen Sprachen« (hgg. von W. Meid/H. Schmeja), Innsbruck: Innsbrucker Beiträge zur Sprachwissenschaft 1972; (bearbeitet von W. Meid) »Germanische Sprachwissenschaft, Bd. 3: Wortbildungslehre«, (Berlin: de Gruyter – Göschen 1967).

[4] Zu diesem und dem Verfahren s. im Textband Kap. 1.3.5.

[5] Berufen wurde Alfred Schmitt (1888-1976), der bis dahin eine Professur in Erlangen hatte und vorher in Rostock bei Weisgerber habilitiert hatte.

[6] Für die Beschaffung der Unterlagen danke ich H. Spiekermann (Münster).