Neisser, Walter
Geb. 7.2.1860 in Świdnica (Polen – früher: Schweidnitz, bei Breslau), gest. 16.12.1941 in Breslau (Freitod).
Nach dem Abitur in Breslau 1877 Studium der Indologie und Indogermanistik in Breslau und Göttingen. In seiner Vita betonte N. sein Selbstverständnis als Sprachwissenschaftler mit Bezug auf seinen Doktorvater Fick. Promotion 1882 in Göttingen. Die Dissertation (»Zur vedischen Verballehre«)[1] unternimmt eine systematische Bestandsaufnahme der Verbalmorphologie in den vedischen Texten (in der Darstellung angeordnet nach den Wurzeln), die in Hinblick auf Synkretismen extensiv mit Textstellen belegt wird; dabei erörtert er auch syntaktische Fragen (so insbes. die Indikativ/Konjunktiv-Abgrenzung). Nach der Promotion lehrte er als Privatgelehrter in Göttingen – ob er (vergeblich) versuchte, eine Universitätslaufbahn einzuschlagen bzw. zu habilitieren, entzieht sich meiner Kenntnis. Er widmete sich ganz der von ihm in Fortführung seiner Dissertation begonnenen Revision der Grassmannschen und Whitneyschen (Wurzel-)Wörterverzeichnisse des Vedischen. Seine Publikationen bildeten Vorarbeiten für ein von ihm geplantes neues Wörterbuch (bes. »Zum Wörterbuch des Ṛgveda«).[2] Sie liefern außer der genauen Textphilologie eine extensive Kritik der Sanskritphilologie (insbes. auch der indischen Arbeiten, die vorwiegend von der späteren Überlieferung ausgehen), auf der Basis eines umfassenden etymologischen Vergleichs im Horizont der indoeuropäischen Sprachen. Daneben stehen noch eine Reihe kleinerer Aufsätze mit der Diskussion veda-philologischer Einzelfragen bzw. etymologischer Einzelstudien, die alle indisch-iranische Probleme betreffen (wiederabgedruckt in den »Kleinen Schriften«).[3]
N.s Rang in der Indologie wurde in Rezensionen bestätigt;[4] so erschien der erwähnte zweite Teil seiner »Wörterbuch«-Vorarbeiten 1920 mit finanzieller Unterstützung aus England (Max Miller Foundation). 1933 wurde N. Opfer der rassistischen Verfolgung, die ihn zuletzt mittellos auch aus seiner Wohnung vertrieb. Dem Abtransport ins Konzentrationslager entzog N. sich durch seinen Freitod.
Q: R. P. Das, in der Einleitung zu den o.g. »Kleinen Schriften«; Stache-Rosen: 72; NDB (R. Schmitt).
[1] Teildruck Göttingen: Huth 1882.
[2] Zwei Teile erschienen in: Abh. Kunde d. Morgenlandes 16/4/1924 und 18/3/1930, Leipzig: Brockhaus.
[3] R. P. Das (Hg.), Wiesbaden: Steiner 1980.
[4] S. etwa M. Bloomfield, in: J. Amer. Orient. Soc. 45/1925: 157ff.; jetzt M. Mayrhofer zu den »Kleinen Schriften« in: Die Sprache 27/1981: 213.
Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, 13. Juni 2013 um 15:38 Uhr