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Weigl, Egon

Geb. 18.4.1901 in Hamburg, gest. 4.6.1979 in Berlin (DDR).

 

Naturwissenschaftliches Studium, zunächst in München, dann in Berlin. Dort zunehmend orientiert auf die (experimentelle) Psychologie, vor allem bei den maßgeblichen Vertretern der Gestaltpsychologie. Abschluß des Studiums in Frankfurt/ M. bei Goldstein und Gelb (Promotion 1927). Im Anschluß daran hatte er zunächst in Amsterdam eine Forschungstelle in der vergleichenden Psychologie (er arbeitete über tierische Intelligenz), dann in Berlin in der pädagogischen Psychologie. Als Goldstein nach Berlin kam, arbeitete er wieder klinisch bei diesem zu sprachlichen Fragen (Aphasie). 1933 wurde er aus rassistischen Gründen entlassen und emigrierte über Prag nach Rumänien, wo er diese Arbeit an einem Bukarester Krankenhaus fortsetzen konnte. Als Rumänien 1941 von der deutschen Armee besetzt wurde, ging er in den Untergrund in den Widerstand; er wurde verhaftet und war bis Kriegsende im Gefängnis. Nach Kriegsende erhielt er zunächst eine Professur, wurde dann aber wieder entlassen und konnte erst 1957 wieder in Bukarest in der Neurologie arbeiten. Hier entwickelte er seine aphasiologischen Ansätze weiter, mit denen er die von Goldstein und Gelb schon systematisch nachgewiesenen Formen der Dissoziierbarkeit sprachlicher Fähigkeiten, besonders auch der geschriebenen gegenüber der gesprochenen Sprache, weiter verfolgte und für therapeutische Zwecke nutzbar machte. Gemeinsam mit seiner in Rumänien geheirateten Frau Irina entwickelte er die von ihm so genannte »Deblockierungsmethode«, die erhaltene selektive Fertigkeiten nutzt, um »blockierte« Fertigkeiten zu aktivieren. 1961 konnte er nach Deutschland (in die DDR) zurückkehren, wo er in Berlin an der Charité klinisch arbeitete, sowie an der Berliner Akademie der DDR eine Arbeitsstelle für Sprachpathologie gründete und leitete. Hier hatte er seitdem eine enge Zusammenarbeit mit Manfred Bierwisch bzw. der »Arbeitsstelle für strukturelle Grammatik«, aus der eine ganze Reihe von Arbeiten hervorgingen, die die klinischen Konzepte mit sprachtheoretischen zu verknüpfen suchten, vor allem auch im Bemühen um einer theoretische Modellierung der Schrift, die die gängigen reduktiven Konzepte überwindet (W. sprach von der erweiterten Sprachkompetenz in Auseinandersetzung mit schriftlichen Praktiken).[1] Die bei der »Deblockierung« genutzte erhaltene grundlegende Sprachfähigkeit unterscheidet er von den peripheren Funktionen, die er im Sinne generativistischer Theoriebildung modular verstand. W. selbst hat noch eine Auswahl seiner Schriften zusammengestellt, die posthum erschienen ist (s. Q); eine von ihm geplante monographische Ausarbeitung zur Schriftsprache ist nicht mehr fertig geworden.

Q: Autobiographie in der Einleitung seiner Kleinen Schriften: E. W., Neuropsychology and Neurolinguistics. Selected Papers. Den Haag: Mouton 1981: 1-6; dort auch eine (Teil-) Bibliographie; I. Weigl (die Witwe), Biographische Skizze von E.W. (Ms., 2012). Nachrufe in OBST 11/1979: 2-3; Zt. Psychologie 188/ 1980: 1 (mit Foto). Hinweise von M. Bierwisch.


[1] Z.B. gemeinsam mit M. Bierwisch, Neuropsychology and linguistics. Topics of common research, in: Foundations of Language 6/1970: 1-18.