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Reichenberger, Arnold Gottfried

Geb. 2.3.1903 in Karlsruhe, gest. 5.8.1977 in Philadelphia.

 

Nach dem Abitur 1921 in Karlsruhe Studium der klass. Philologie an den Universitäten in Heidelberg und Berlin, 1925 mit dem Staatsexamen abgeschlossen. 1925-1927 Lehrer für Latein, Griechisch und Deutsch an einem Gymnasium in Baden, 1927-1931 an der privaten Reformschule in Schloß Salem (Bodensee); in dieser Zeit Promotion 1928 in Heidel­berg (Dissertation: »Studien zum Erzählstil des Titus Livius«),[1] 1931-1933 am Gymnasium in Offenburg.

Im April 1933 wurde er aus rassistischen Gründen entlassen (er selbst war pro­testantisch getauft). Nachdem er zunächst sein Leben noch mit Pri­vatstunden verdient hatte, emigrierte er im Januar 1934 nach Ita­lien, wo er ein Examen für den Deutschunterricht ablegte und von 1934-1938 Lektor für Deutsch an der Univ. Mailand war. 1936 wurde ihm hier (vermutlich aufgrund seiner deutschen Promotion) der ita­lienische Dott. in Lettere verliehen. In dieser Zeit arbeitet er Materialien für den Deutschunterricht aus, u.a. ein erfolgreiches Deutschlehrerbuch, das bis 1957 in 18 Auflagen erschien. 1938 mußte er vor der rassistischen Verfolgung[2] weiter in die USA migrieren (mit Unterstützung verschiedener Stiftungen, u.a. Carl Schurz Found.), wo er mit einem befristeten Vertrag an der New Yorker New School for Social Research einwandern konnte. Dort unterrichtete er 1939/1940 Deutsch und Italienisch sowie einen Kurs über europäische Zivilisation (fokussiert auf ihren Gegensatz von »gotischem« und »klassi­schem« Geist). 1941 ging er nach Ohio (zunächst Capital Univ., dann State Univ.), wo er Deutsch und Latein (Sprache und Kulturge­schichte) lehrte, 1943/1944 unterbrochen von einem Italie­nisch-Kurs für die US-Armee.

Unter dem Druck der ökonomischen Zwänge (er hatte nur eine Teilzeitstelle, zeitweise wohl auch keine feste Anstellung) war er gezwungen, sich auf ein weniger konjunkturabhängiges Ar­beitsgebiet zu verlegen. Als Kompromiß zwischen sei­ner Ausbildung und den Sicherheit versprechenden spanischen (hispano-amerikanischen) Interes­senskonstellationen in den USA begann er ein Studium der Hispani­stik (die ihm bis dahin wohl fremd geblieben war): 1942 mit dem M.A. abgeschlossen, dann 1946 mit dem Ph.D.

Gewissermaßen im Übergangsfeld hatte er sich in seinen ersten Veröffentlichungen in den USA mit der Rezeption der italienischen Litera­tur im Spanien des 16. Jhdts. beschäftigt (insbes. mit Boscán, also der Pe­trarca-Rezep­tion). Die Dissertation galt Vélez de Guevara, einem ebenfalls italienisch beeinflußten Autor des 17. Jhdts., verbunden mit der Edition eines von dessen Werken. Dieser Zeitpunkt mar­kiert eine Zäsur in seinem Werk: im gleichen Jahr er­schien die letzte Publikation von ihm, die sich mit sprachlichen Problemen, bzw. mit dem Sprachunterricht beschäftigt – von da an waren es rein literaturwissenschaftliche/literaturgeschichtliche Arbeiten, überwiegend auf seinem Spezialgebiet der »klassischen« spanischen Literatur, begleitet von aufwendigen Editionen, die einerseits die handschriftliche Überlieferung detailliert berück­sichtigen (evtl. auch begleitet von einem Faksimile-Druck), ande­rerseits einen umfangreichen philologischen Apparat aufweisen.[3] Sein letztes, nicht mehr abgeschlossenes Projekt war ein Katalog über unveröffentlichte spanische Theaterstücke des 16.-18. Jahrhunderts.

Seine hispa­nistischen Arbeiten verschafften ihm sehr rasch eine prominente Position in der USA-Romanistik: 1946 wurde er Dozent an der Univ. Pennsylvania (seit 1954 Assoc. Prof., 1961 o. Prof., 1965-1967 Di­rektor der Romanistischen Abteilung, 1973 emeritiert). Seit 1949 war er in der Redaktion der Hispanic Review (seit 1954 einer der Herausgeber). In den späteren Jahren nahm er zahlreiche Gastpro­fessuren wahr, u.a. 1960/1961 in der BRD (München, Bonn, Er­langen). Daß seine sprach(wissenschaft)lichen Arbeiten für seine späteren Jahre keine Bedeutung mehr hatten, macht insbes. eine Festschrift zu seinem 70. Geburtstag deutlich[4]: bis auf einen lexikographischen Beitrag zu Caldé­ron von H. Flasche finden sich keine sprachwissenschaftlichen Bei­träge, und auch in der ansonsten umfangreichen tabula gratulatoria sind Sprachwissenschaftler eher selten vertreten (dafür aber nicht-romanistische Emigranten wie O. Springer).

Q: BHE; Nachruf: J. M. Regueiro in dem Gedenkband für A. R. der Hispanic Review 47/1979: 5-7; R. P. Sebold in der FS: 133-139, Bibliographie dort: 143-150.

 



[1] Karlsruhe: Mehl & Vogel 1931.

[2] Aufgrund des die Beschäftigung der Lektoren für Deutsch regelnden deutsch-italienischen Kulturabkommens 1938, s. Hausmann 2000: 236.

[3] Gelegentlich verweist er bei sprachlichen Fragen auf andere wie z.B. Spitzer, vgl. »The Uniqueness of the Comedia«, in: Hispanic Review 27/1959: 309.

[4] Bd. 41/1973 der Hi­spanic Re­view.