Schaechter, Itsye Mordkhe
Geb. 1.12.1927 in Czernowitz, gest. 15.2.2007 in New York.
S. stammte aus einer jiddischsprachigen Familie. Die Unterrichtssprache war für ihn zunächst rumänisch, 1940/1941 unter sowjetischer Verwaltung jiddisch. Während der deutschen Besetzung lebte er im Ghetto Czernowitz und durfte keine (öffentliche) Schule besuchen. Aus dem 1944 wieder russisch besetzten Czernowitz flüchtete die Familie nach Bukarest, wo S. nach der Reifeprüfung mit dem Studium der Sprachwissenschaft und Geographie an der philosophischen Fakultät begann (u.a. bei Seidel). 1947 ging er nach Wien, wo er für das YIVO tätig war und jiddische Materialien sammelte.[1]
Dort promovierte er 1951 mit der Dissertation »Aktionen im Jiddischen« (masch-schr.),[2] die er ausdrücklich als allgemein-sprachwissenschaftlich darstellt (betreut wohl von Havers, auf den er sich wiederholt bezieht). Er exzerpiert ein umfangreiches (literarisches) Corpus, in dem er 69 Konstruktionstypen identifiziert, vor allem solche mit leichten Verben (an arbet tun »arbeiten«, zix a bik geben »sich bücken« u. dgl.), die Aktionsarten isolieren (theoretisch orientiert er sich mit der Unterscheidung von Aspekt und Aktionsarten an Koschmieder). Er versteht diese Arbeit als Beitrag zur Standardisierung des Jiddischen, dessen literarische Grundlagen er hier exploriert.
1951 wanderte er in die USA aus, wo er nach dem Militärdienst (in Korea) am YIVO (bei Max Weinreich) tätig war und von 1968-2004 lehrte, von 1981-1993 auch als Dozent für Jiddisch an der Columbia Universität (wohl in Verbindung mit U. Weinreich). Außerdem lehrte er noch an anderen (jüdischen) Hochschulen.
Er war ein entschiedener Vertreter eines Standardjiddisch, seit 1958 vor allem auch in einem von ihm gegründeten Ausschuß für eine standardisierte Orthographie. Damit stand er auf dem Gegenpol zur Fortschreibung von explizit regional (und d.h. osteuropäisch) verankerten jiddischen Varietäten bei Birnbaum oder Weinberg, in gewisser Weise auch bei U. Weinreich, und war im Zentrum heftiger, auch polemisch ausgefochtener Auseinandersetzungen. Einflußreich ist sein Lehrbuch, das er unter der Prämisse verfaßte, daß es darum gehen muß, ein Standardjiddisch zu etablieren, dessen Zentrum heute außerhalb von Europa liegt (in New York, Buenos Aires, Tel Aviv...), »Yiddish II. An intermediate and advanced textbook«.[3] Der Titel Yiddish II erklärt sich explizit als beabsichtigte Fortführung des elementaren Einführungskurses von U. Weinreich. Gegenüber diesem beanspruchte S. aber, die Grundlagen der Sprache fixiert zu haben. S. war in diesem Sinne an einer Reihe von Unternehmungen der Standardisierung und an entsprechenden Veröffentlichungen beteiligt, so an dem »Great Dictionary of the Yiddish Language«,[4] und in zahlreichen Veröffentlichungen zur jiddischen Orthographie und Lexikologie: fachsprachlichen Glossaren aus dem Bereich des Gesundheitswesens, der Wissenschaften, insbes. der Botanik[5] u.a., die er für die von ihm 1979 gegründete League for Yiddish herausgab.
Q: Nachrufe von C. Landolt in: Jiddistik Mitteilungen 37/2007: 17-18, W. Saxon in der New York Times v. 16.2.2007 und am 19.2.2007 in der Los Angeles Times; Zumhagen 2007: http://www.wnyc.org/news/articles/75237 (Febr. 2009).
[2] Sein eigenes Exemplar mit Nachträgen und Ergänzungen ist als Microfilm zugänglich.
[3] New York: Yiddish Language Ressource Center 1993 (Vorfassungen erschienen 1976ff.).
[4] Hg. von J. Joffe / Y. Mark (für ein Yiddish Dictionary Committee). New York / Jerusalem 196ff., unvollständig, publiziert bis Bd. 4 / 1980.
[5] S. sein postum veröffentlichtes »Plant names in Yiddish«, New York: Yivo 2005. Für Hilfestellung und Informationen bedankt er sich dort u.a. bei Austerlitz und U. Weinreich.
Zuletzt aktualisiert am Montag, 22. Juli 2013 um 10:03 Uhr