Bach, Susanne
(geb. Eisenberg)
Geb. 29.1.1909 in München, gest. 10.2.1997 in München.
Nach dem Abitur 1928 in München studierte sie dort Romanistik, Kunstgeschichte und Volkswirtschaft, betrieb daneben intensive Sprachstudien (sie lernte u.a. Russisch). 1932 legte sie ihre Dissertation »Geschichte des französischen Verbums bailler (< baiulare)«[1] bei Vossler vor. Es handelt sich um eine eher positivistisch gearbeitete Wortgeschichte, die extensiv chronologisch geordnete Belege aus (literarischen) Texten zu diesem semantisch weitgefächerten semasiologischen Feld aufführt (»fragen, ergreifen, präsentieren, geben...«, vor allem auch die Rechtsterminologie; dabei auch Kontaminationen mit dem Feld von bâillir »gähnen«); über die französische Entwicklung hinaus verfolgt sie noch die lateinische Wortgeschichte (bis ins mittelalterliche Latein), sowie kursorisch Parallelen in anderen romanischen Sprachen (mit Hinweisen auch auf nominale Bildungen). Die bei einer bei Vossler entstandenen Arbeit zu erwartenden »globaleren« kulturgeschichtlichen Argumentationen fehlen ganz.
Aus rassistischen Gründen wurde ihr nach der Promotion eine Anstellung am Thesaurus Linguae Latinae in München verweigert (trotz Vosslers Unterstützung). Sie emigrierte daraufhin nach Frankreich, wo sie nach verschiedenen anderen Jobs (vor allem auch Sprachunterricht) eine Buchhändlerlehre absolvierte und 4 Jahre in einer großen Buchhandlung das wissenschaftliche Antiquariat betreute. Wiederholt arbeitete sie (z.T. nebenher) als wissenschaftliche Assistentin für Romanisten (Mario Roques und Menendez Pidal). Zeitweise war sie auch in einem Unterstützungskomitee für jüdische Flüchtlinge tätig. 1940 wurde sie interniert (zunächst in Paris im »Vel d`Hiv«, dann zwei Monate in Gurs/Pyrenäen). Nach der Freilassung (die französische Lagerleitung versuchte nach ihrem Bericht zu verhindern, daß politische Gegner wie sie in die Hände der Deutschen fielen), ging sie nach Vichy, wo sie sich mit verschiedenen Jobs, u.a. beim Radio durchschlug. 1940/41 war sie in Marseille, wo sie bei der Flüchtlingsorganisation HICEM arbeitete, bis sie im April 1941 mit einem tschechischem Paß und einem gefälschten Taufschein über Portugal nach Brasilien emigrieren konnte.[2] Nach verschiedenen Jobs (u.a. wieder Sprachunterricht, Übersetzungen, wiss. Hilfstätigkeiten) arbeitete sie dort als Buchhändlerin. Nach Kriegsende fuhr sie zunächst wieder nach Paris zurück (als Staatenlose mit einem brasilianischen Nansenpaß), wo sie wieder für wissenschaftliche Antiquariate und Verlage arbeitete; 1948 kehrte sie nach Brasilien zurück, wo sie ein eigenes großes Antiquariat aufbaute, das vor allem den Export brasilianischer Bücher an große Bibliotheken im Ausland betrieb. Seit 1972 widmete sie sich auch der deutschsprachigen Exilliteratur in Südamerika, wozu sie auch wissenschaftlich publizierte.[3]
Ihr persönliches Leben war dabei recht bewegt: 1941 war sie bereits schwanger nach Brasilien gefahren (den Vater ihrer späteren Tochter benennt sie in der Autobiographie nicht). Die Tochter schickte sie später in Österreich und dann in München auf eine Internatsschule; sie besuchte sie wiederholt und zog schließlich sogar wieder nach München, als die Tochter dort krank wurde. Erst nach deren Tod kehrte sie wieder nach Brasilien zurück. Durch ihre Heirat 1952 (mit einem ungarischen Emigranten Bach) hatte sie die brasilianische Staatsbürgerschaft erworben, erwarb bei ihrem Aufenthalt 1969/70 aber wieder die deutsche Staatsbürgerschaft (die ihr in den 30er Jahren entzogen worden war), um in München eine Filiale ihrer Buchhandlung aufzumachen. 1983 kehrte sie dann endgültig nach München zurück (wo ihre Enkel leben).
Trotz der von ihr alles in allem in der Autobiographie außerordentlich positiv dargestellten Emigrationserfahrungen ist der durch die Vertreibung erzwungene Bruch einer (sprach-)wissenschaftlichen Karriere bei B. deutlich, den sie nicht zuletzt mit ihren wiederholten wissenschaftlichen Assistentinnentätigkeiten zu überbrücken versucht hat.
Q: V; Autobiographie: »Karussell. Von München nach München«, Nürnberg: Frauen in der Einen Welt 1991; Nachruf von H. Häntzschel in Neuer Nachr.brief d. Ges. f. Exilforschung 9/1997: 9). Häntzschel 1992; Wall 2004; Splitternachlaß im Deutschen Exilarchiv der dt. Nationalbibliothek. B. wir in einer ganzen Reihe von Werken zur Exilliteratur aufgeführt, was hier nicht im einzelnen dokumentiert wird.
[1] Murnau/Oberb.: Fürst 1933.
[2] Ausführlich dazu Furtado Kestler, »Die Exilliteratur und das Exil der deutschsprachigen Schriftsteller und Publizisten in Brasilien«, Frankfurt/M. usw.: Lang 1992: 72-73.
[3] Von ihren Publikationen waren mir zwei Monographien nicht zugänglich: »A la recherche d'un monde perdu«, Rio de Janeiro 1944; »Im Schatten von Notre-Dame«, 1986.