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Vögelin, Erich (später Eric Voegelin)

Geb. 3.1.1901 in Köln, gest. 19.1.1985 in Palo Alto/Kalifornien.Politologe.
 
1922 Promotion und 1929 Habilitation an der U Wien. Seit 1936 dort a.o.Prof. Im April 1938 wurde er aus politischen Gründen entlassen. Nach polizeilichen Verfolgungsmaßnahmen (die Gestapo drohte, seinen Paß zu beschlagnahmen) floh er zunächst in die Schweiz und emigrierte dann von dort in die USA. Dort Lehrtätigkeiten an verschiedenen Universitäten, seit 1942 Professur an der U Baton Rouge (Louisiana). Die politischen Gründe für die repressiven Maßnahmen und V.s Auswanderung bedürfen noch einer genaueren Klärung: immerhin bemühte er sich vor dem "Anschluß" darum, in Deutschland Karriere zu machen, und auch sein Buch "Rasse und Staat" wurde in NS-Deutschland publiziert, das ihn als alles andere als einen Gegner erweist (s. u.).[1]
 
Er wurde bereits 1944 in den USA eingebürgert (wobei er auch die Schreibung seines Namens ändern ließ). Aber trotz der institutionellen Integration dort fühlte er sich intellektuell isoliert und konzentrierte sich auf sein ideengeschichtlich orientiertes Werk. Entsprechend bemühte er sich nach Kriegsende gleich um eine Rückkehr nach Europa. 1958 erhielt er eine Professur an der U München, kehrte aber 1968 wieder in die USA zurück.V. hat die symbolische Verfaßtheit des Politischen analysiert und dabei Sprache als historisch zu analysierende Artikulation des Denkens bestimmt, weshalb er hier zunächst in Betracht gezogen war. Grundlegend wart für ihn dabei die Spanne von common sense, der das Alltagshandeln leitet, und seiner kritischen Analyse, in der Noesis. Das entspricht in der Anlage der Grundfigur in den Arbeiten Husserls, mit dem V. sich auch eingehend auseinander gesetzt hat.[2] Allerdings hat die Analyse der sprachlichen Form bei seinen Arbeiten anders als bei Husserl und vor allem auch  bei Schütz, zu dem er schon in Wien und später dann in den USA eine enge Verbindung hatte, soweit ich sehe, keine Rolle gespielt.[3]  Wie es systematischer bei Cassirer entwickelt ist (auf den V. sich in diesem Sinne auch bezieht), operiert er bei seiner politiologischen Theore mit der Figur des Mythos als gemeinschaftsbildender Figur, und dabei für die Moderne insbesondere auch mit der Rasse als einem solchen Mythos, der vor allem in der "revolutionären" Politik des "Dritten Reiches" (explizit so) zu einem Faktor der politischen Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnise geworden ist.[4]
 
Entsprechend hat V. weder auf die sprachwissenschaftlichen Diskussionen Bezug genommen, noch sind mir Spuren seines Werkes in der Sprachforschung bekannt. Daher gehören er bzw. sein Werk auch nicht zur Sprachforschung im weiteren Sinne.
 
Q: BHE; P. J. Opitz, Stationen einer Rückkehr – V.s Weg nach München, in: Eric-Voegelin-Archiv, U München: Occasional Papers 12/ 1999 (2. A. 2003); für einen Überblick über Leben und Werk s. auch den ausführlichen Eintrag in Wikipedia.
[1] Tübingen: Mohr 1933. S. dazu ausführlich E. Faye, E.V.s Haltung zum Nationalsozialismus. Überlegungen zum Briefwechsel Krieck-V. (1933-1934), in: M. Epple u.a.. "Politisierung der Wissenschaft". Jüdische Wissenschaftler und ihre Gegner an der Universität Frankfurt am Main vor und nach 1933. Göttingen: Wallstein 2016: 111-146.
[2]  Vor allem auch im Gespräch mit Schütz in den USA.
[3]  Deutlich wird das in der autobiographisch orientierten Zusammenstellung seiner kleinerer Arbeiten in "Anamnesis. Zur Theorie der Geschichte und Politik" (München: Piper 1966; Nachdruck Freiburg: Alber 2005). Dort findet sich auch eine recht drastische Kritik an Husserl als Philosophen - im Gegensatz zu dessen sprachanalytischen Arbeiten, die V. positiv anspricht, aber ausdrücklich ausklammert.
[4] Wie vor allem sein Briefwechsel mit dem NS-Philosophen und hochrangigen Funktionär Alfred Bäumler zeigt, konnte V. sich dabei durchaus in Übereinstimmung mit dem NS-Regime sehen, s. Faye, Fn. 1. In dem Buch (1933) referiert er im übrigen auch ausführlich zu den zentralen Figuren der NS-"Rassenlehre (H.F.K.Günther, dem er immerhin das Prädikat "gründlich" gibt, L.F. Clauß u.a.), und selbst A. Rosenbergs "Mythus des 20. Jhd." wird von ihm nur deskriptiv als Beleg angeführt. Noch aussagekräftiger ist in diesem Zusammenhang sein ausdrücklich positiver Bezug auf Carl Schmitt für sein staatsrechtlich ausgerichetes Projekt - explizit in Abgrenzung zu dem  formal-rechtlich argumentierenden Kelsen, bei dem V. vorher immerhin Assistent war.