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Sapir, Eduard

Geb. 26.1.1884 in Lebórk (Polen, früher Lauenburg bei Danzig), gest. 4.2.1939 in New Haven.

 

Im Alter von 6 Jahren kam er mit seiner Familie 1890 in die USA, mit einer Zwischenstation in England. Der Vater war ein orthodoxer jüdischer Kantor, und entsprechend war die Auseinandersetzung mit der jüdischen Kultur für S. prägend: Jiddisch war die Familiensprache, bereits vor der Schule lernte er mit dem Vater Hebräisch. S.s frühe Jahre waren bestimmt durch den Versuch, den Zwängen der Orthodoxie intellektuell zu entkommen,[1] die späteren Jahre offensichtlich von einer Rückbesinnung, die sich auch in Studien zum Talmud ausdrückte, aber auch dann nicht dazu führten, daß er die mosaische Religion praktiziert hätte (s. Darnell, Q).

Die ärmlichen Familienverhältnisse (der Vater verlor wiederholt die Stelle und war arbeitslos) machten ihm ein Studium an der Columbia University in New York nur möglich, weil er als Schüler ein Stipendium gewann. Er studierte wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck seiner Herkunft Germanistik, durchaus traditionell im junggrammatischen Sinne mit vergleichender Ausrichtung auf die indoeuropäischen Sprachen. Dieser Horizont bestimmte auch seine Abschlussarbeiten (B.A. 1904, M.A. 1905). Als Master-Arbeit legte er eine Studie über »Herder’s ›Ursprung der Sprache‹« vor,[2] in der er dessen Aktualität für die moderne Beschäftigung mit Sprache herausstellt, Sprache aus kulturellen Zusammenhängen entwickelt, aber die Schrift explizit als ein sekundäres Phänomen definiert (s. bes. S. 117). Aufschlußreich für seinen biographischen Horizont ist eine frühe Studie zum Jiddischen:[3] ganz im Sinne der zeitgenössischen deutschen Dialektologie bestimmt er das Judendeutsche als einen deutschen Dialekt, dessen hebräischer Anteil am Wortschatz ein Fremdkörper ist, der für die Bestimmung der Sprache ignoriert werden kann. Die von ihm untersuchte dialektale Differenzierung einer litauischen Varietät (er beschrieb die Sprache seiner Mutter: den Dorfdialekt von Kovna, heute: Kaunas) ist für ihn vielmehr eher der isolierten Entwicklung im germanischen Sprachverband geschuldet, wobei er v.a. die Aufgabe von Quantitätenoppositionen analysiert, bei denen er einen Einfluß der slawischen Sprachen für möglich hält.

Er studierte systematisch die vergleichende ie. Sprachwissenschaft (Sanskrit, iranische Sprachen), aber für seine weitere Entwicklung wurde Boas bestimmend. Ein Vortrag von Boas über die Indianersprachen zeigte dem bis dahin fest in junggrammatischen Bahnen denkenden S., daß sprachliche Variation nicht (nur) historisch fassbar ist, sondern in der empirischen Konfrontation mit der Sprachenvielfalt untersucht werden kann.[4] Auf die Orientierung an Boas verweisen auch Hinweise auf amerikanische Indianersprachen in seiner germanistischen M.A.-Arbeit. Später avancierte er auch in der Einschätzung von Boas’ zu dessen wichtigstem Schüler, der noch während seiner Studienzeit an der Columbia University unter Boas’ Anleitung mit Feldforschungen zu Indianersprachen begann. Seine erste reguläre Veröffentlichung erschien denn auch 1906 in der Boas-Festschrift (s. dort): die Bearbeitung eines Kwakiutltextes von Boas’ Hauptinformanten G. Hunt.

Aus diesen Feldforschungen ging seine Dissertation an der Columbia University 1909 hervor, eine Beschreibung des Takelma (eine isolierte Sprache in Oregon, heute ausgestorben).[5] Er nahm Boas‘ Programm einer systematischen Untersuchung der sprachlichen Verhältnisse unter den Indianersprachen Amerikas auf, wozu ethnographische Beschreibungen gehörten, denen er im Boasschen Sinne umfangreiche Textsammlungen zugrunde legte.

S. hatte offensichtlich die Fähigkeit, fremde Äußerungen phonetisch genau zu registrieren und auf dieser Grundlage zu analysieren, so daß er auch schon nach einigen Tagen Arbeit mit einer Gewährsperson Texte aufzeichnen und analysieren konnte. Auf diese Weise hat er insgesamt 39 (!) Sprachen aufgezeichnet und analysiert. Dabei war er selbstverständlich auf die Mitarbeit von kooperativen und zweisprachigen Gewährspersonen angewiesen; im westlichen Teil Nordamerikas konnte er dazu auch die dort verbreitete Chinook-basierte Verkehrssprache nutzen. Grundlage für seine Dissertation zum Takelma (damals noch von einigen Überlebenden des dort praktizierten Genozids gesprochen, heute ausgestorben) war eine sechswöchige Arbeit mit einer älteren Informantin. Ergebnis war eine Textsammlung von 199 Seiten (1909 veröffentlicht, mit einem 62seitigen Lexikon), die Grammatik, die im engeren Sinne die Dissertation ausmachte, hatte 300 Seiten, zuerst 1912 publiziert.[6] Sie enthält eine detaillierte phonetische Darstellung, einschließlich der silbenstrukturellen Verhältnisse bis hin zu Anschlußverhältnissen und den Tonakzenten, eine detaillierte Grammatik, in der er nach dem Vorbild der junggrammatischen Darstellungen, die eine Morphophonologie als interne Rekonstruktion praktizierten, die Vielfalt der beobachtbaren Formen auf der Basis einer abstrakten Strukturanalyse entwickelt (S. 79 das maximale Baumuster des grammatischen Wortes). Die detaillierten Analysen der Formen versieht er mit Verweisen auf Textbelege, so daß sie immer nachvollziehbar sind. Noch vor Abschluß des Promotionsverfahrens ging S. 1907 bis 1908 nach Kalifornien, wo er in Kooperation mit Kroeber[7] über die dortigen Indianersprachen arbeitete.

Eine vertiefte Analyse verlangte jeweils die Unterstützung durch eine Gewährsperson, die selbst in die analytische Arbeit einbezogen wurde. Dazu bildete er seine Gewährsleute nach Möglichkeit aus, und da, wo ihm das gelang, setzte er dann auch den Schwerpunkt für seine weitere Arbeit: beim südlichen Paiute (Soschonisch, also Uto-Aztekisch) wo er seit 1910 mit Tony Tollohash zusammenarbeitete, später, seit seiner kanadischen Zeit, zum Nootka mit Alex Thomas.

Seine ausführlichste grammatische Ausarbeitung ist die zum südlichen Paiute, bei dem er die transparente Vielfalt an grammatischen Formen durch eine regelhafte Ableitung aus Strukturmustern systematisch durchführte. Auch hier ist die Grammatik auf eine umfangreiche Textsammlung gestützt; publiziert wurden sie 1930/1931, obwohl die Grammatik nach seiner Vorbemerkung schon 1917 fertig gestellt war.[8] In dieser Grammatik ging er nun auch über die junggrammatische Tradition, die Syntax nur als implizit durch die Morphologie gesteuerte Verteilung von Wortformen zu behandeln, hinaus und analysierte systematischer syntaktische Fragen (»Verb syntax« und »Substantive verbs«, WW 10: 243-261). Die abstrakte Argumentation wird durch eine detailliert kommentierte Analyse eines Textes transparent (dort S. 294-314).

Von Boas übernahm er auch das Programm, die Klassifikation der amerikanischen Sprachen neu zu ordnen. 1916 veröffentlichte er dazu eine Programmschrift »Time Perspective in Aboriginal American Culture: A Study in Method«,[9] die der üblichen kulturräumlichen Gliederung, die die Diffusion und soziale Arbeitsteilung der ethnischen Gruppen mit einer relativ flachen Zeitdimension mit einer sprachlichen Gliederung verbindet, die sehr viel trägere Sprachentwicklung gegenüberstellt, die nicht durch strategische Austauschprozesse bestimmt ist und daher ein tieferes Zeitfenster hat. Insofern macht für ihn auch nur die sprachliche Analyse eine Rekonstruktion in einer größeren zeitlichen Tiefe möglich, gegen die damals in Betracht gezogenen zehntausend Jahre einer amerindischen Rekonstruktion (»to read time perspective into the surface of American culture«, WW 4: 34). Dadurch, daß er diese Rekonstruktion als ethnologisches Programm erklärte, geriet er in einen Gegensatz zu Boas, für den Rekonstruktionen jenseits ethnologisch fundierter Beschreibungen der beobachtbaren Verhältnisse nicht viel Sinn machten (s. bei diesem). In dieser Hinsicht blieb S. ein an dem junggrammatisch etablierten Schema orientierter Sprachwissenschaftler. Wo es Boas’ pragmatisch um eine möglichst umfassende Beschreibung der Indianersprachen ging, bevor diese ausgerottet waren, ging es für S. um eine möglichst dichte Beschreibung, die eine interne Rekonstruktion der Entwicklung nach junggrammatischem Modell erlaubt, auf deren Grundlage auch eine genetische Rekonstruktion der Familienverhältnisse angegangen werden konnte.

Gegen die damals dominierende Auffassung der Ethnologie waren für ihn die Antworten auf die interessanten Fragen der ethnischen Gliederung nicht an den beobachtbaren kulturellen Praktiken abzulesen, sondern sie müssen erst durch aufwendige Rekonstruktionsverfahren sichtbar gemacht und ermittelt werden. So stellte er provokativ der damals üblichen Gliederung der nordamerikanischen Indianersprachen, in den offiziösen Darstellungen des Bureau of American Ethnology mit 55 Familien, eine hypothetische Reduktion auf 6 Familien entgegen (Eskimo-Aleut, Algonkin-Wakasha, Nadene, Penutisch, Hoka-Sioux, Aztekisch-Tanoa), die er selbst ausdrücklich als »suggestive but far from demonstrable« qualifiziert.[10] In seinen deskriptiv fundierten Arbeiten in diesen Jahren operiert er dagegen mit etwa 20 Familien, im Horizont einer ganzen Reihe von »Isolaten«, die (noch) nicht systematisch subsumierbar waren, s. seine Vorträge und Strukturskizzen (WW 5: 83-91).[11] Dadurch, daß die von ihm rekonstruierten Phyla nicht in der räumlichen Verteilung sichtbar waren und auch Gruppierungen zusammenfaßten, die in kultureller Hinsicht keine Übereinstimmung zeigten, stieß er auf erhebliche Vorbehalte in der ethnographisch orientierten Diskussion, angefangen bei Boas, der solche Rekonstruktionen ohne Anbindung an die beobachtbare Praxis ablehnte, weil sie von dem vorrangigen Ziel einer Dokumentation in einem Sprachmuseum wegführten.

Der kritischste Punkt seiner Rekonstruktion war die Annahme einer Na-Dene Familie.[12] Diese Gruppierung war für ihn allerdings auch nicht nur ein Element seiner amerindischen Rekonstruktion, sondern ein Schlüsselstück für eine weitere ausgreifende Prärekonstruktion, mit der er die amerindischen und die ostasiatischen Sprachverhältnisse verknüpfen wollte. Die Tatsache, daß die von ihm Nadene genannten Sprachen Tonverhältnisse aufweisen, bringt er mit ostasiatischen Tonsprachen zusammen, um in der Nadene-Gruppe ein spätes spezifisches Einwanderungssegment zu sehen. Vor allem im Tibetischen sah er ein unmittelbares Gegenstück.[13] Grundideen in diese Richtung finden sich im übrigen allerdings schon bei Boas im Vorfeld seiner Planung der Jesup-Pazifik-Expedition, wo dieser Part von Laufer übernommen wurde, zu dem S. seit damals auch engere Beziehungen unterhielt.[14] Sie korrespondieren mit dem Versuch, die beobachtbare sprachliche Vielfalt in (Nord-)Amerika mit einer Vorstellung von dessen Besiedlungsgeschichte zu verbinden. Bei der damals generell angenommenen historischen Zeit von 10.000 bis 12.000 Jahren einer Besiedelung erschien eine endogene Ausdifferenzierung in einem solchen Ausmaß unplausibel, so daß als Lösung nur eine Reihe von Einwanderungswellen denkbar erschien, in denen diese sprachliche Vielfalt zu verankern war. S. genuiner Beitrag war hier die Annahme des Nadene als einer jungen Einwanderungsschicht, die am stärksten Übereinstimmungen mit der sino-tibetischen Herkunft zeigte.

Abgesehen von den spekulativen Momenten dieser Prärekonstruktion, die Boas entschieden ablehnte (so auch noch in seinem Nachruf auf S. [1939], bei Koerner 1984, bes. S. 59) hatte dieser Ansatz für S. eine systematische Stelle in seiner Auseinandersetzung mit der damaligen Ethnologie. Er bildete den Gegenpol zu der verbreiteten Psychologisierung in der damaligen Völkerkunde, gegen die S. genauso wie Boas entschieden anging. Im Gegensatz zur formalen Rekonstruktion von Strukturmustern sieht er in der Zuschreibung psychologischer Stereotypen nur die Vernebelung von Problemen, die er auch bei sprachwissenschaftlichen Vertretern dieser Argumentation moniert, so z.B. in seiner Rezension (1917) von Uhlenbecks Analyse des Baus der amerindischen transitiven Verbformen als »passieve Karakter«, wo er feststellt: »the less we operate with ›primitive‹ psychology, the better« (WW 5: 69-74, hier S. 71).

Für die Sprachwissenschaft im engeren Sinne sind die bei ihm offensichtlich eher instrumentell im Rahmen dieses Programms zu sehenden methodologischen Arbeiten wichtig geworden. Dazu gehörte auch die von Boas übernommene methodische Schulung der Informanten. Gerade auch für die neuere Diskussion um das Verhältnis von Phonologie und Schriftsprache sind seine Arbeiten wichtig geworden, in denen er die Spontanverschriftungen von nur elementar angeleiteten indianischen Gewährsleuten analysiert, in denen er eine Kontrolle der funktionalen Leistung phonologischer Unterscheidungen (im Gegensatz zu einem naturalistischen Verständnis von phonetischer Analyse des Gesprochenen) sieht.

Von Boas übernahm er die Aufgabe, ein System zur phonetisch genauen Beschreibung auszubauen, und differenzierte das Zeichensystem für die Darstellung der phonetischen Variation in den Indianersprachen z.T. gemeinsam mit diesem.[15] Bei der Notation von Tonstrukturen orientiert sich der Bericht ausdrücklich an Schmidts Anthropos-System. Bei der Arbeit an diesem Transkriptionssystem brachen Konflikte auf, die sich durch das ganze Werk ziehen. Für den Naturwissenschaftler Boas ging es hier vor allen Dingen um ein praktikables System phonetischer Notationen, dessen Granularität eine pragmatische Frage war, die auf die nutzbaren beschränkten Fertigkeiten von den Ethnologen (also Nicht-Sprachwissenschaftlern) abzustellen war, die schließlich bei seinem Projekt eines amerikanischen Sprachmuseums mitwirken sollten. Für S. ging es dagegen um ein Notationssystem, das es erlauben sollte, die sprachspezifischen Besonderheiten jeder Sprache möglichst plastisch zu zeigen.[16] Gerade aber auch durch die Arbeit mit indianischen Informanten, die er zu Assistenten ausbildete (wiederum nach dem Modell von Boas), trennte er systematisch zwischen der sprachexternen Beschreibung (und einer metasprachlichen Darstellungsebene) und der Rekonstruktion der funktionalen Differenzierungen, die die Sprecher einer Sprache damit machen, also der Phonologie. Auch hier zeigte sich wieder seine Verankerung in der älteren junggrammatischen Tradition, indem die funktionalen Differenzierungen für ihn eine psychische (heute würden wir sagen: kognitive) Interpretation fanden. Diese kognitiv verankerten Strukturen sind nicht an phonetisch Beobachtbarem abzulesen: Sie bilden gewissermaßen Gestalten, wie sie in der Denkpsychologie damals vorgegeben wurden.[17]

S. hatte schon 1925 eine systematische Darstellung einer entsprechenden Analyse mit »Sound patterns in language« gegeben, veröffentlicht in der Hauszeitschrift Language der Linguistic Society of America (1925: 37-51), die das Forschungsprogramm für den US-amerikanischen Strukturalismus vorgab.[18] Sprachstrukturen sind gelernt und insofern im Gegensatz zu physikalischen Strukturen nicht notwendig, sondern an ihre Validierung gebunden, die sie im sozialen Umfeld vor Ort erhalten und die sie in gewisser Weise auch wieder zur Disposition stellt. Dem entspricht, daß sie kognitiv kontrolliert werden, mit einer gewissen Freiheit gegenüber der phonetischen Variation in der Phonologie, so daß sie eben auch nicht als physikalische Invariante in den allophonischen Variationen isoliert werden können,[19] wie er vor allem in seinem 1933 veröffentlichten Aufsatz »La réalité psychologique des phonèmes“[20] systematisch ausgeführt hat. Damit lag er quer zu der sich in dieser Zeit herausbildenden operationalistischen Methodologie des amerikanischen Strukturalismus, so daß seine Sichtweise zunächst relativ wenig Einfluß hatte (hinzu kam sicherlich, daß der Aufsatz in Frankreich und auf französisch geschrieben und veröffentlicht war). Entdeckt wurde er gewissermaßen erst später, aufgrund der englischen Übersetzung 1949. Er avancierte später in der Generativen Phonologie zu einem Klassiker – hier dann eben wieder gerade, weil die Argumentation psychologisch artikuliert war.[21]

Die von Boas für S. geplante Karriere wurde von dessen Konflikt mit dem New Yorker Museum durchkreuzt (s. bei Boas). S. konnte in New York keine Stelle und auch kein Stipendium bekommen und ging bereits 1905 zu Kroeber (s. o.) nach Berkeley in Kalifornien, wo er für diesen zu den kalifornischen Sprachen arbeitete, mit dem Schwerpunkt bei den Yana, wofür er 1907-1908 dort auch eine Forschungsstelle hatte (auch das Yana ist inzwischen ausgestorben). Danach arbeitete er an der Universität Pennsylvania. In Verbindung mit dem dortigen Museum führte er weitere Feldforschungen durch, insbesondere zur uto-aztekischen Familie, v.a. Dingen zum Paiute, gesprochen in Utah und Nevada, bei dem es ihm gelang, einen Informanten (Tithohaste) als festen Mitarbeiter zu gewinnen, der es ihm erlaubte, die gewünschte dichte Analyse der Sprache durchzuführen (s.o.). Die in diesem Zusammenhang entstandenen Arbeiten wurden allerdings zum größten Teil erst später, einige auch erst postum veröffentlicht.

1910 erhielt er eine Stelle an der Ethnologischen Abteilung des kanadischen Nationalmuseums in Ottawa, wo er durch die praktische Museumsarbeit gebunden war und gewissermaßen nur nebenher (ohne universitäre Anbindung und Ausbildungsmöglichkeiten) seine sprachanalytische Arbeit fortsetzen konnte, jetzt insbesondere zu den Sprachen im Nordwesten Kanadas, v.a. zum Nootka (eine Wakascha-Sprache, eng verwandt mit dem Kwakiutl, Boas’ Hauptforschungsgegenstand) sowie zu der Familie der athabaskischen Sprachen. In seinem 15jährigen Aufenthalt auf dieser Stelle entfaltete er ein umfangreiches Werk, das zum erheblichen Teil auch außerhalb der Sprachwissenschaft angesiedelt war: mit kulturell-volkskundlichen Studien u.a. zur weißen Kultur in Kanada, also zum franko-englischen Feld, extensiv auch zu literarischen und musikalischen Aktivitäten, zu denen er Feuilletonbeiträge verfaßte; u.a. schrieb er auch selbst Gedichte und komponierte Musikstücke. Das letztere nahm in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg, als seine Arbeitsbedingungen in Ottawa für ihn zunehmend frustrierender wurden, einen immer größeren Raum ein, war aber auch der Ausgangspunkt für seine Bemühungen um ethnomusikalische Forschungen,[22] vgl. schon »Song-recitative in Paiute mythology« (1910, in: WW 4: 541-558).

1925 erhielt er einen Ruf an die Universität Chicago, wobei seine Kontakte zu Laufer eine wichtige Rolle spielten. Dort begann er systematischer, im Rahmen der Ethnologie auch die Allgemeine Sprachwissenschaft auszubauen, für die er 1927 auch die Venia erhielt. Dadurch definierte er sein Unternehmen zunehmend systematischer: im Rückgriff auf die Soziologie (wo er in Chicago eine enge Beziehung zu dem dortigen Politologen und Kommunikationsforscher H. Lasswell aufbaute) und vor allem auch die Psychoanalyse, die ihm das konzeptuelle Muster für (kulturelle) Entwicklungen hinter dem Rücken der Akteure lieferte. Für diese Orientierung ist der für ihn traumatische Tod seiner ersten Frau ein zusätzlicher Anstoß gewesen.

In Chicago hatte er enge Verbindungen zu der dort damals führenden empirischen Sozialforschung (nicht zuletzt auch Migrationsforschung). Die Auseinandersetzung damit bestimmte seine weitere Reflexion, vor allem auch der Kontakt zu H. Lasswell. Darauf geht wohl auch seine ausgedehnte Mitarbeit an der Encyclopedia for Social Sciences zurück, in der er eine Reihe seiner späteren theoretisch orientierten Aufsätze veröffentlichte. 1931 wechselte er an die Universität Yale, wo er das für die damalige US-amerikanische Sprachwissenschaft maßgebliche Zentrum der Sprachforschung aufbaute – mit einem von den Philologien getrennten Institut, an dem außer ihm noch E. H. Sturtevant, F. Edgerton und E. Prokosch lehrten. Dabei konnte er mit Unterstützung der Rockefeller-Foundation ein Stipendienprogramm nutzen, um insbesondere auch im internationalen Rahmen Sprachwissenschaftler auszubilden. Eine Schlüsselrolle hatte dabei seine Kooperation mit dem dort lehrenden Psychiater Harvey Stock Sullivan.[23] Hintergrund dafür war S.s Fazination von dem Freudschen Ansatz, die Struktur einer Persönlichkeit systematisch zu rekonstruieren, statt darin, wie in der zeitgenössischen Psychologie üblich, nur ein Konglomerat psychischer Versatzstücke zu sehen (s. eine Reihe seiner Arbeiten zur Psychoanalyse, zumeist Rezensionen von psychoanalytischen Werken in WW 3). Hier fand er die Voraussetzungen, um in der individuellen Praxis, nicht zuletzt eben auch der Sprachpraxis, etwas anderes zu sehen, als nur die Reproduktion von sozial vorgegebenen Mustern.

In den letzten Jahren arbeitete S. an einer Kulturtheorie, für die er auch eine Monographie plante. Er entwickelte sie in Seminaren in Chicago und in Yale, wo er dafür auch Mittel von der Rockefeller Foundation erhielt (zum Aufbau eines Forschungsvorhabens zum »impact of culture on personality«).[24] Dabei wird die für ihn leitende Prämisse des von Boas übernommenen Forschungsprogramms deutlich: sprachliche Erscheinungen sind erlernt und nicht auf biologische oder andere materielle Kontextfaktoren zurückzuführen. Das gibt ihnen im Rahmen der Ethnologie einen privilegierten Status, da sie, anders als die in dieser Hinsicht sehr viel flüssigeren kulturellen Erscheinungen, eine systematische Kontrolle erlauben. Sie bilden gewissermaßen eine infrastrukturelle Basis kultureller Verhältnisse, die deren Veränderungen vorgängig ist. Insofern kann zwar von einer Entwicklung der Kulturen (und insofern auch von relativen Wertungen wie primitiven Kulturen) die Rede sein, nicht aber bei Sprachen, die gewissermaßen quer zu diesen Kulturen ihre Struktur haben. Das gilt so aber nur für die formale Seite der Sprache (Phonologie und Grammatik) nicht aber für das kulturell durchlässige Lexikon.

In dieser Hinsicht geht S. einen Schritt weiter als Boas: Sprache ist der individuellen Praxis zwar sozial vorgegeben, aber sie existiert eben nur als praktizierte. Jedes Mitglied einer Sprachgemeinschaft ist gezwungen, seine sprachliche Praxis sozial zu validieren, es kann sie aber in dieser Hinsicht auch variieren. Insofern kann eine Sprachanalyse sich nicht auf bloße Abstraktionen wie Sprachen reduzieren, sondern sie muß das Spektrum sprachlicher Praktiken in einer Gemeinschaft analysieren. Zu dieser gehören eben auch sprachliche Marotten und auch abweichendes Verhalten, wie S. es auch schon bei seinen eigenen Sprachbeschreibungen immer einbezogen hat, z.B. die formal differenten Formen bei Männern und Frauen im Yana, die er einerseits rein formal im systematischen Umbau der Sprache analysiert, die er andererseits aber als Ausdruck sozial verschieden gewerteter Praktiken von Frauen und Männern in einer Gemeinschaft bestimmt (»Male and female forms of speech in Yana«),[25] vgl. auch »Abnormal types of speech in Nootka« (1915, in MB: 179-196). Eine Sprache war für ihn gewissermaßen das robuste kulturelle Mittel, das solche differenten Praktiken (mit ihren Konnotationen, Demarkationen u. dgl.) erlaubt, wie er es in einer Reihe von populär redigierten Texten formuliert hat, etwa »The grammarian and his language« (1924, in MB: 150-151).

Zu eigenen Feldforschungen kam er in den letzten Jahren nur noch in eingeschränktem Maße, gelegentlich noch zum Navajo, zu dem er eine große Arbeit plante, aber nicht mehr fertig stellen konnte. Dafür arbeitete er jetzt mit einer Gruppe von Schülern, die systematische Beschreibungen zu einzelnen Sprachen/Sprachfamilien vorlegten: M. Swadesh, B. L. Whorf und vor allem F.-K. Li, der zum Athabaskischen arbeitete und dort die für die S.sche Na-Dene-Hypothese zentralen Tonverhältnisse untersuchte.

Daneben betrieb S. aber auch seine Studien zu den indoeuropäischen Sprachen weiter, mit denen er an der Columbia University begonnen hatte, gewissermaßen als kontrastive Folie für seine Rekonstruktionsarbeiten zur Klassifikation der Indianersprachen. Dabei führte er Überlegungen von Boas in Bereichen weiter, in denen areale Kontaktverhältnisse gegenüber genetischen Strukturvorgaben entscheidend wurden, wie insbesondere beim Tocharischen. In diesem Zusammenhang kam er auch zu einer systematischen Beschäftigung mit dem Chinesischen, bei dem er, wenn auch reichlich spekulativ und ohne viel Anklang in der heutigen Forschung, über eine Prärekonstruktion einer Gemeinsamkeit von sinitischen und amerindischen Sprachen nachdachte. Von größerer Bedeutung sind seine konkreten Studien über den Zusammenhang des Tocharischen mit den umgebenden Sprachen, z.B. »Tibetan influences on Tocharian I«;[26] wo er sich u.a. auch systematisch mit der fachwissenschaftlichen Diskussion in Deutschland auseinandersetzte (hier v.a. den Arbeiten von Eduard Hermann).[27] Einen Schwerpunkt bildeten hier von Anfang an, in den späteren Jahren aber zunehmend, die semitischen Sprachen, s.u. V.a. aber dehnte er systematisch seinen sprachlichen Horizont aus, arbeitete z.B. auch zu westafrikanischen Sprachen, wiederum mit Gewährsleuten, die er in den USA fand.[28]

Ergebnis dieser durchaus universal zu nennenden vergleichenden Forschungen, jeweils auf der Grundlage selbständiger deskriptiver Untersuchungen, war eine durchaus genial zu nennende Neubegründung der Allgemeinen Sprachwissenschaft auf einer sprachtypologischen Grundlage, die sich schon 1921 in einem schmalen Bändchen »Language« niederschlug,[29] dessen Typologiekapitel gerade auch in der jüngsten Diskussion, die die Aufgabe einer charakterisierenden Typologie wieder entdeckt, erneute Aktualität erhalten hat. Bei S. werden die Sprachen nicht nach formalen Merkmalen klassifiziert, wie es die ältere Schlegelsche Tradition wollte und gerade auch die jüngste Entwicklung einer quantifizierenden Auswertung größerer Samples praktiziert, sondern nach der Art und Weise, wie sie eine im funktionalen Sinne definierte kognitiv-kulturelle Aufgabe durch die spezifischen Grammatisierungen von Artikulationsformen lösen (s. auch bei Boas). Damit knüpfte er an die europäische Tradition der Allgemeinen Sprachwissenschaft als Sprachtypologie an, für die er explizit auch die Figur des Genie (bei ihm: spirit) einer Sprache als Leitfrage herausstellt, die im 18. Jhd. ein Topos war (»Language«, S. 120). Von diesem Betrachtungspunkt aus ist für S. auch eine »isolierende« Sprache wie das Chinesische, deren atomarer »Primitivismus« ein Topos in der Allgemeinen Sprachwissenschaft des 19. Jhdts. war, keineswegs eine rudimentäre Sprachform, sondern ein hochkomplexes System, was allerdings eine Orientierung nicht an den Wortformen, sondern an der Syntax verlangt, wie er es in seinen Bearbeitungen der aufgenommenen Texte schon früh angegangen ist (s.o. zum Paiute).

Sprachanalyse ist für ihn ein zweistufiges Unternehmen, bei dem der kulturell durchlässige Teil das Lexikon ist, das kulturellen Wandlungen und sprachexternen Einflüssen gegenüber offen ist, in dem das, was gesagt wird, artikuliert wird, auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die formale Struktur, die artikuliert, wie etwas gesagt wird. Darin liegt für ihn die Besonderheit einer Sprache, die ihre innere Form (er benutzt den Terminus ausdrücklich, 1921: 109). Diese Strukturen sind gewissermaßen kulturell blind, und in den universalen Strukturen des menschlichen Verstandes verankert. In dieser Weise versucht er als Schnittstelle zwischen den kognitiven Strukturen und den amtssprachlichen Grammatiken ein typologisch brauchbares Begriffssystem zu entwickeln, das ein Feld von formalen Strukturen, die Äußerungen interpretierbar machen (»pure relational concepts«) und Konzepte für referenzielle Verankerung der Äußerung gegenüberstellt (Kap. 5 des Buches: »Form in language: grammatical concepts«).

Insofern entwickelt S. ein Klassifikationssystem, das eine kognitive Typologie umsetzt, bei der er geradezu provokativ die hoch entwickelten sogenannten Kultursprachen auf eine Ebene mit oft als »primitiv« angesprochenen Sprachen stellt, als vergleichbare Exemplifizierungen ein und desselben Typs, wo dann das Französische als Exemplifizierung des gleichen Sprachbautyps wie das Bantu erscheint, das Englische und das Lateinische vom selben Typ wie das Algonquin und das Takelma. Die formalen Kategorien der typologischen Klassifikation entwickelte er in Hinblick auf die Symbolisierungsfunktionen der sprachlichen Zeichen. Er stellt deren aggregierend-transparente Strukturierung einer fusionierenden gegenüber und definiert so die Symbolisierung als skalar meßbar. An die Spitze dieser Skala stellt er kein indoeuropäisches Sprachsystem, sondern das des Arabischen.

Offensichtlich mit Blick auf die anvisierten Leser hat S. seine Terminologie nicht wirklich durchgearbeitet und hängt z.T. noch an der traditionellen Schulbegrifflichkeit. Dadurch wird gelegentlich im Text die für ihn zentrale Unterscheidung zwischen syntaktischen Strukturen wie der Prädikation, die er als universal in der Gegenüberstellung von einem Prädikat und seinen Ergänzungen ansetzt, gegenüber den sprachspezifischen Wortartformatierungen des Lexikons undeutlich, weil er in beiden Fällen die Termini Nomen und Verb benutzt (z. B. 1921: 119). Dadurch wird unklar, was er gerade an den von ihm genauer analysierten »polysynthetischen« Indianersprachen wie dem intensiver bearbeiteten Nootka herausstellt, die eben keine solchen lexikalischen Wortarten aufweisen. [30] Diese ambige Theorie spielte sicherlich auch eine Rolle dabei, daß die Rezeption dieses Teils seiner Sprachtypologie strittig geblieben ist: Bloomfield hat sie als »irrelevant« deklariert (in seiner Rezension 1922, s. Koerner, Q: 47-50, hier 49), während allerdings Harris in seiner systematischen Rekonstruktion des S.schen Ansatzes sie gewissermaßen distributionalistisch übersetzen kann (1949; Koerner, Q: 69-114).

S.s Bändchen »Language« wurde sofort zum Klassiker der amerikanischen Sprachwissenschaft, was nicht zuletzt bis heute an den gewissermaßen emblematisch genutzten Beispielsätzen in den Aufsätzen auch generativistischer Provenienz aus Amerika deutlich wird. Allerdings wurde das Werk zur Zeit der Hochblüte des Distributionalismus in den 40er und 60er Jahren wohl nur noch eher formal zitiert. Auch in der neueren Typologiediskussion wurde dieser Aspekt lange Zeit übersehen, und wurde erst in den jüngeren kognitivistisch ausgerichteten Ansätzen in den Vordergrund gerückt, für die allerdings S.s Ansatz inzwischen den Rang eines klassischen Argumentationsmusters hat.[31]

S. war eine bestimmende Figur der US-amerikanischen Szene, nicht nur von seiner Position in Yale her, sondern auch als Mitbegründer 1924 der Linguistic Society of America, als deren Präsident er 1931 auch gewählt wurde. Als solcher unterstützte er auch ein breites Spektrum von professionellen sprachwissenschaftlichen Aktivitäten, wozu u.a. auch sein Engagement für eine internationale Hilfssprache gehörte. Diese war für ihn ein Feld, auf dem der Sprachausbau, als Überwindung der Trägheit der einfachen kulturellen Reproduktion, zu leisten war: solche Kunstsprachen sind für alle Sprecher fremd, worin er wohl auch einen pädagogischen Effekt in Hinblick auf die nationalistische Überlagerung von Sprachverschiedenheiten sah.[32]

Der systematische Punkt war für ihn die in solchen Kunstsprachen mögliche Ausarbeitung der kognitiven Fundierung der Sprachtypologie, indem solche Kunstsprachen es im Prinzip erlauben, die kognitiven Grundstrukturen unmittelbar auszudrücken. Für ihn sind die grammatischen Grundbegriffe nicht einfach in der Metasprache der Sprachwissenschaft definiert, als Repräsentation analytischer Operationen (wie später bei Bloomfield und den Distributionalisten), sondern fundamental im menschlichen »Geist« verankert. Hier wurde S.s sprachtheoretische Grundauffassung (und der Gegensatz zu Boas) wohl am deutlichsten.

Darauf gingen Arbeiten zurück wie seine Studie »The Expression of the ending-point relation in English, French and German«[33] (gemeinsam von ihm mit seinen Schülern Morris Swadesh und Alice Morris), die zugleich so etwas wie eine Metasprache zur Beschreibung lokaler Strukturen und von Direktiven u. dgl. liefert: adverbial, präpositional oder auch mit Verbpartikeln artikuliert. Die Begeisterung für die Hilfssprachen teilte er mit einer ganzen Reihe von Vertretern seiner Generation, s. hier z.B. bei Carnap. Bei S. verband es sich wohl auch mit einem systematischen Interesse, indem er in ihnen so etwas wie die Materialisierung der gesuchten Invarianten der Sprachenvielfalt sah, s. hier auch bei Reifler (und von diesem hergeleitet: Bliss).

Die Spannung zwischen seinen universal orientierten typologisch fundierten Arbeiten und seinen historisch-rekonstruktiven drückt sich in einer Reihe von systematischen Studien Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre aus. In den späteren Jahren kommt er auf diesem Umweg auch wieder auf die frühe »indogermanistische« Orientierung seiner Studienzeit zurück und nimmt Neuansätze der indoeuropäischen vergleichenden Sprachwissenschaft auf, insbesondere auch die Laryngaltheorie, die für ihn ein besonderes Interesse hatte, weil sie in ihrer »nostratischen« Interpretation den Vergleich der indoeuropäischen Sprachen mit den semitischen möglich machen sollte, s. etwa »Glottalized Continuants in Navaho, Nootka and Kwakiutl (with a note on Indo-European)«,[34] sowie einer Reihe kleinerer Studien zum Sanskrit (auch zum Alt-Griechischen), sowie ebenfalls im Schnittfeld der europäischen und vorderasiatischen Welt, dem Hethitischen.[35] Im Vordergrund standen für ihn aber auch hier methodische Fragen der internen Rekonstruktion, wo die Laryngale in den späteren i.e. Sprachen eben auch nur in ihren Spuren im Vokalismus nachzuweisen sind – wie die glottalisierten Frikative im Wakascha.

Für S. waren diese Arbeiten vor allem wohl auch als methodische Parallele zu seiner »Prä-Rekonstruktion« der Indianersprachen wichtig, weil sie hier wie dort zeigten, wie eine Lesweise indirekter Spuren in einem logischen System als Nachweis alter Segmentsequenzen möglich ist, s. dazu noch den fragmentarisch nachgelassenen Aufsatz »Indo-European prevocalic s in Macedonian« (1939, MB: 294-302 – von Sturtevant mit dem Vermerk »From Sapir’s desk« publiziert). Die nostratische Lesweise der Laryngaltheorie verfolgte S. auch in semitisch-indoeuropäischen Lehnwortbeziehungen, z.B. in »Hebrew ›helmet‹, a Loanword, and its Bearing on Indo-European Phonology« (1937, MB: 285-288).

Seine Betonung der relativen Eigenständigkeit von Sprachstrukturen steht in einer Spannung zu der damals wie heute im Fach endemischen psychologistischen Subsumption von Sprache unter kognitive Funktionen. Demgegenüber stellt er die relative Selbständigkeit von Dynamiken heraus, die eine Sprachentwicklung bestimmen können: dazu prägte er das Konzept des Drifts, das gerade auch in den neueren Diskussionen zur Ausgliederung indoeuropäischer Sprachfamilien wichtig ist. [36]

Der Drift, also das Bild einer nicht kontrollierbaren Strömung hinter dem Rücken der sprachlichen Akteure, war für ihn das positive Gegenstück zu seiner Prärekonstruktion, mit dem er überzeitliche Invarianten in der Entwicklung von Sprachen isolieren wollte. Sie sollten dem entsprechen, was unbewußt internalisierte Strukturen waren, mit denen jedes Mitglied einer Sprachgemeinschaft seine eigene Sprachproduktion validieren lassen muß, die sich daher eben auch sehr viel träger als die Sprachpraxis selbst und von der aktiven Beeinflussung des einzelnen unbemerkt entwickeln (dem Drift ist das Kap. 17 des Buches 1921 gewidmet).

Es ist recht bemerkenswert, daß S. seine Überlegungen parallel, aber ohne Berücksichtigung der europäischen strukturalen Diskussion (etwa Saussures Reflexion auf das sprachliche Zeichen als »Wert«),[37] entwickelt hat (was ihm auch von Bloomfield in seiner Rezension vorgehalten wurde), daß er auch sonst die europäischen sprachwissenschaftlichen Diskussionen ignorierte (Sprachgeographie, Wörter und Sachen u. dgl.),[38] daß er aber die kulturtheoretischen Diskussionen sehr wohl berücksichtigte: ausdrücklich führt er in »Language« (1921) Croce schon im Vorwort an.

In diesem Rahmen wird auch deutlich, was es mit der in vielen Handbuchdarstellungen apostrophierten Sapir-Whorf-Theorie der »Weltbild«-Auffassung auf sich hat. Wie auch schon Boas macht S. sehr klar, daß die in einer Sprache sedimentierten Strukturen das Denken prägen können, was sie aber nur in dem Ausmaß tun, wie das Denken sich von ihnen leiten läßt. Diese Strukturen und damit das »Weltbild« sind keine Fesseln für das Denken, vielmehr gilt es, gegen dieses anzugehen, wie er vor allen Dingen in seinem Engagement für die Konstruktion einer Welt-Hilfs-Sprache deutlich macht, die diese zur zweiten Natur gewordenen Vorstrukturierungen der verinnerlichten »Muttersprache« zu überwinden hilft.[39]

Wie auch bei Boas ist die Sprachstruktur letztlich eine Variable in der sozialen Praxis, die sozial validiert werden muß – und insofern eben auch für eine Veränderung bzw. nicht einfache Reproduktion zur Disposition steht, so schon 1929 in »The status of linguistics as a science« (MB: 160-166). Die Starrheit entsprechender Strukturen wird gerade in ihrer Distanz von kognitiven-konzeptuellen Strukturen deutlich. Fesseln bilden so am ehesten noch phonologische Strukturen, die sich auch bei der Ausbildung von Sprachwissenschaftlern als Barrieren erweisen, etwa silbenstrukturelle Filter, die die Wahrnehmung einer fremden Sprache blockieren,[40] so z.B. mit dem Beispiel fester Anschlüsse in dem Phonologieaufsatz von 1933 (MB: 59).

Seine kulturtheoretischen Überlegungen reflektieren auch ein methodisches Problem der Feldforschung. In der Tradition von Boas war ein instrumentelles Verhältnis zu den Gewährsleuten Bestandteil der Forschung, bei denen diese gewissermaßen einen Widerstandsfaktor beim Gewinnen von Sprachstrukturellem waren und dem Feldforscher das Leben schwer machten. Zwar bemühte S. sich, wie Boas auch, den kulturellen Kontext der Sprachproduktion in den Blick zu nehmen; S. registrierte auch die musikalischen Formen beim Vortrag der Mythen (so etwa bei deren Rezitation im Paiute, s. WW 4: 541-558), aber die Widersprüchlichkeit zwischen der so inszenierten Praxis und der gesellschaftlichen Situation, die der Forscher induzierte, blieb ausgeblendet.

Mit dem späten Fokus auf der individuellen Praxis änderte sich das Koordinatensystem und S. reflektierte zunehmend mehr auch Konstellationen, unter denen individuelles Verhalten seine Eigenwertigkeit hatte, gerade eben auch abweichendes Verhalten, als das nicht zuletzt auch die Aktivitäten der Gewährsleute gegenüber dem fremden Forscher anzusehen sind.[41]

Zu dem geänderten politischen Kontext der kulturtheoretischen Analysen gehörte die veränderte Politik gegenüber den Indianervölkern in den 20er Jahren, die von einer vorgeblichen »Zivilisierung der Wilden« zu einer Politik der Integration überging, bei der den Indianern jetzt auch erst selbstverständlich die US-amerikanische Staatsbürgerschaft zugestanden wurde.[42] Allerdings änderten sich die Konstellationen dadurch, daß S. (wie im übrigen ja auch Boas) später vor allem mit Gewährsleuten arbeitete, die selbst einen analytischen Filter darstellten, bei dem solche artifiziellen Inszenierungen dadurch ausgeschaltet wurden.

Mehr noch als bei Boas standen hinter der politisch sensibleren Reflexion bei S. aber auch politische und rassistische Erfahrungen, angefangen bei der Zeit in Kanada im Ersten Weltkrieg, als S. wegen seiner pazifistischen Stellungnahmen angegriffen wurde, bis hin zu den antisemitischen Stigmatisierungen, bei denen er mehr noch als Boas Angriffsfläche bot, als ein Vertreter der osteuropäischen Juden (S. war mit einer litauischen Jüdin verheiratet). Diese Grundkonstellation kulminierte in Yale, wo S. direkt Opfer von antisemitischen Diskriminierungen wurde (s. Darnell, Q, bes. S. 401), was sicherlich zu den eindeutiger politischen und antirassistischen Stellungnahmen von S. in den 30er Jahren beigetragen haben wird.[43] Dazu gehörte auch die Rückbesinnung auf das Judentum und damit auf das Jiddische, die sich in den letzten Jahren bei ihm geltend machte, nicht zuletzt auch in Form einer engen Freundschaft mit Max Weinreich, als dieser nach New York kam und dort das YIVO aufbaute, fortgesetzt in der Zusammenarbeit im Forschungsprogramm in Yale.[44]

In den letzten Jahren war S. zunehmend durch ein Herzleiden behindert und konnte nur noch eingeschränkt lehren und forschen.[45] 1937 hatte er noch einen Forschungsaufenthalt in China geplant (und von der Rockefeller Stiftung auch die Mittel bewilligt bekommen), konnte diese aber aus politischen Gründen nicht verwirklichen.1939 erlag er seiner schweren Herzkrankheit. 1941 erschien ein als Festschrift geplanter Gedenkband von seinen Schülern; weitere seiner deskriptiven Arbeiten zu den Indianersprachen wurden von seinen Schülern Hoijer (zum Navaho), Swadesh (zum Nootka) und Spier (zum Yana) postum publiziert. Schließlich erscheint seit 1990 eine Gesamtausgabe seiner Schriften, bei der sein Sohn Philip als Hauptherausgeber fungiert.

Q: David G. Mandelbaum, »Selected writings of Edward Sapir in language, culture and personality«, Berkeley: Univ. California Press 1968 (zitiert als MB); Ph. Sapir u.a. (Hgg.), »The Collected Works of Edward Sapir«, 16 Bde., Berlin (usw.): Mouton de Gruyter 1990ff., bisher erschienen: Bd. 1 »General linguistics« 2008; Bd. 3 »Culture« 1999; Bd. 4 »Ethnology« 1994; Bd. 5 und Bd. 6 »American Indian languages« 1990/1991; Bd. 7 »Wishram texts and ethnography« 1990; Bd. 8 »Takelma texts and grammar« 1990; Bd. 10 »Southern Paiute and Ute linguistics and ethnography« 1992; Bd. 14 »Northwest California linguistics« 2001 (zitiert als WW); Voegelin in Sebeok II: 489-492.

Nachrufe: Franz Boas, in: International Journal of American Linguistics 10/1939: 58-63 (mit Bibliographie); Franklin Edgerton, in: Yb. of the American Philosophical Society 1939: 460-464; L. Hjelmslev, in: Acta Linguistica 1/1939: 76-77; Morris Swadesh, in: Language 15/1940: 132-135; E.A. Hooton, in: Proceedings of the American Academy of Arts and Sciences 74/1940-1942: 157-159; Ruth Benedict, in: American Anthropologists 41/1949: 465-477 (mit Bibliographie). Die (meisten) Nachrufe sind reproduziert bei K. Koerner (Hg.): »E.S.: Appraisals of his life and work«, Amsterdam: Benjamins 1984.

J. S. Falk in: Ph. Strazny (Hg.), »Encyclopedia of linguists«, New York: F. Dearborn 2005: 924-926; R. Darnell/ J. T. Irvine, »National Academy of Science, Biographical Memoirs«, (elektronische Version 2007). Biographische u. systematische Beiträge zu seinem Werk in dem Konferenzband zu seinem 100. Geburtstag bei W. Cowan u.a. (Hgg.): »New Perspectives in Language, Culture, and Personality«, Amsterdam: Benjamins 1986, sowie die umfassende Darstellung in R. Darnell: »E. S.: Linguist, Anthropologist, Humanist«, Berkeley etc.: California UP 1990.



[1] Allerdings war er in erster Ehe auch mit einer aus Litauen stammenden Jüdin verheiratet.

[2] In: Mod. Ph. 5/1907: 5-34. Wiederabgedruckt in Historiographia Linguistica 11/1984: 355-388 sowie in WW 1: 65-99.

[3] »Notes on Judeo-German Phonology«, in: The Jewish Quarterly Review NS 6/1915, repr. in dem leicht zugänglichen Sammelband von Mandelbaum 1968 (Q): S. 252-272. S.s Arbeiten werden in der Regel nach diesem Band (als MB) oder, soweit schon erschienen, nach der Werkausgabe (als WW) zitiert, s. Q.

[4] S. den Nachruf von Swadesh (Q): 132.

[5] Die Dissertation hatte er bereits 1906 vorgelegt; weil er weitere Feldforschungen unternahm (s.u.) wurde das Verfahren erst 1909 abgeschlossen; die Arbeit selbst wurde von Boas erst 1912 im »Handbook« publiziert, s. bei diesem.

[6] Beides jetzt als Bd. 8 der WW »Takelma Texts and Grammar«, Berlin: Mouton: 1990.

[7] Alfred Louis Kroeber (1876-1960), Ethnologe, der ebenfalls bei Boas an der Columbia University promoviert hatte (1901). Kroeber war als Sohn deutscher Einwanderer in den USA geboren. Seit 1900 forschte er in Kalifornien, seit 1901 als Proessor in Berkeley.

[8] Jetzt in Bd. 10 der WW »Southern Paiute and Ute linguistics and ethnography«, Berlin: Mouton 1992, die Grammatik dort: 317-534; das Wörterbuch S. 561-752.

[9] Zuerst publiziert als Regierungsveröffentlichung in Kanada, Department of Mines; MB: 389-467, WW 4: 31-120.

[10] So in der in der späteren Forschung oft als Katechismus behandelten Darstellung in der Encyclopedia Britannica, 14. A 1929 (repr. in Mandelbaum 1968 (Q): S. 169-178); seine Selbstqualifizierung dort S. 172. (der engl. Termins stock dient hier als Übersetzungsäquivalent zu dt. Stamm; heute oft auch Phylum).

[11] S. Campbell 1997 für eine detaillierte Darstellung und Einordnung in die früheren (und derzeitigen) Forschungstraditionen.

[12] Bei ihm zusammengesetzt aus Athabaskisch, Tlingit, Eyak und Haida. Eine solche Gruppierung war tatsächlich allerdings schon im 18. Jhd. vorgeschlagen worden, s. M. Mithun, »The languages of native North America«, Cambridge: Cambridge UP 1999: 302-307. Die Bezeichnung setzt sich zusammen aus den beiden Termini Haida: na »Haus« und Athabaskisch: dene »Person«. In der gegenwärtigen Forschung wird ein solches Phylum kaum noch akzeptiert; dazu gehört insbesondere auch, daß ein zentrales Element der S.schen Rekonstruktion, die Gemeinsamkeit von Tonstrukturen, in der jüngeren Forschung bei den entsprechenden Nordamerikanischen Sprachen (Athabaskisch u.a.) aus endogenen Faktoren hergeleitet werden (Töne aus glottalisierten Vokalen), s. dazu Campbell 1997.

[13] Die entsprechenden Arbeiten, auch zu seiner »Sino-Dene-Hypothese« finden sich in WW 6/1991.

[14] Bemerkenswert ist der Versuch von S.s Schüler M. Swadesh, die Positionen von S. und Boas gerade in Hinblick auf die Na-Dene-Struktur zu harmonisieren, s. »Diffusional cumulation and archaic residue as historical explanations«, in: Southwestern J. of Anthropology 7/1951: 1-21.

[15] S. den von S. redigierten Bericht (1916) in WW 5: 151-170.

[16] Zu diesen Konflikten in der von Boas schon 1912 betriebenen Kommission für diese Fragen, s. M. Silverstein, »Problems of Sapir Historiography«, in: Historiographia Linguistica 18/1991: 181-204, bes. S. 185ff.

[17] Mit dieser hat S. sich auch gründlich auseinander gesetzt, wie auch umgekehrt seine Arbeiten dort rezipiert wurden, s. etwa Koffka, »Principles of Gestalt psychology«, New York: Harcourt, Brace 1935: 675.

[18] Das gilt insbesondere für die explizit reklamierte Sapir-Nachfolge bei K. Pike (1912-2000), der dazu die terminologische Unterscheidung zwischen emisch (von »phonemisch«) und etisch (von »phonetisch«) einführte, die inzwischen generell auch in der Soziologie und Ethnologie üblich ist. Pike war zwar kein Sapir-Schüler, bezieht aber seine Analysen direkt auf diesen, wie die entsprechende Widmung und nicht zuletzt auch das von ihm selbst aufgenommene Foto von S. als Frontispiz zu seinem magnum opus »Language in relation to a unified structure of human behavior«, 2. Aufl. Den Haag 1967, zeigt. Zur Unterscheidung von emisch und etisch, s. dort S. 37-72.

[19] In dieser Hinsicht nahm S. Überlegungen vorweg, die später dann in Europa N. Trubetzkoy zu einer phonologischen Theorie ausarbeitete. In den 30er Jahren kam es auch zu einem direkten Austausch zwischen beiden (Darnell, Q: 275), der auch von S.s Schülern wie insbes. Whorf fortgeführt wurde (Darnell, Q: 379).

[20] In: J. de Psychologie 30/1933: 247-265. Gerade auch die formal orientierten Strukturalisten sahen sich genötigt, das psychologisierende Mißverständnis des Titels richtig zu stellen, der suggeriert, daß die formale Analyse auf psychische Erlebnisse zurückzuführen sei, so etwa Hjelmslev in seinem Nachruf in Acta Linguistica 1/1939 (»no trace of psychology«) und explizit noch Harris in seiner ausführlichen Rekonstruktion des S.schen Unternehmens (wieder abgedruckt in Koerner 1984: 69-114).

[21] Chomsky hatte S. als Vorläufer seines generativen Unternehmens reklamiert, als er diesem mit einem Auftritt auf dem 9. Internationalen Linguistenkongreß 1962 in Cambridge, Mass. den Durchbruch verschaffte (der Vortrag wurde unter dem Titel: »Current issues in linguistic theory« an verschiedenen Orten publiziert). Eine folgenreiche Rekonstruktion der S.schen »Paiute Phonology« findet sich dann in N. Chomsky/M. Halle, »The Sound pattern of English«, New York: Harper & Row 1968: 344-349 (das im übrigen schon im Titel einen Anklang an Sapirs Aufsatz von 1925 zeigt). Zugrunde liegt ihm der Abschnitt »Consonantal processes« in der Paiute Grammatik (WW 10: 66), von S. an verschiedenen Stellen selbst immer wieder angeführt, so vor allen Dingen auch in dem Aufsatz von 1933. Allerdings hat schon McCawly 1967 darauf hingewiesen, daß S. zwar eine Art Prozessgrammatik entwickelt hat, die die beobachtbaren phonetischen Formen aus systematisch definierten abstrakten phonologischen Formen ableitet, daß dahinter aber kein vergleichbares Konstrukt zu den abstrakten Strukturen des sprachlichen Wissens steht, die die Grundlage der neueren generativen Grammatiken sind (»Sapir’s phonologic representation«, in: Intern. J. Amer. Ling. 33/1967), in: Koerner 1984: 153-158.

[22] Hier kam seine musikalische Ausbildung bei seinem Vater, einem Kantor, zum Zuge, vgl. in dieser Hinsicht auch Parallelen bei Boas.

[23] Sullivan (1892-1949) analysierte neurotische und psychotische Störungen in Hinblick auf die darin ausgetragenen Beziehungen mit der (kulturellen) Umwelt und bot ein konzeptuelles Raster für S.s eigenes Unternehmen.

[24] Die entsprechenden Arbeiten sind im WW 3 versammelt. J. Irvine hat vor allem aus den Mitschriften seiner Hörer den entsprechenden Kurs rekonstruiert, der auch separat veröffentlicht ist: »E. S.: The Psychology of Culture. A Course of Lectures«, Berlin: Mouton 1993, 2. Aufl. 2002.

[25] In: FS J. Schrijnen: 79-85.

[26] In: Lg. 12/1936, repr. in Mandelbaum 1968 (Q): 273-284.

[27] 1936 unterrichtete er in Yale einen Kurs Tocharisch, s. Darnell (Q): 363.

[28] Mit C. G. Blooah publizierte er eine kleinere Studie »Some Gweabo Proverbs« (1929), in WW 4: 815-818, die allerdings nur Übersetzungen bietet. Das Gweabo (Jabo) ist ein Dialekt des Grebo, einer Kru-Sprache in Liberia.

[29] Bis heute in Taschenbuchform immer wieder nachgedruckt, z.B. New York: Harcourt, Brace and World 1949, auch in deutscher Übersetzung »Die Sprache«, München: Huber 1961, 2. Aufl. 1972.

[30] Deutlicher herausgearbeitet ist diese Unterscheidung in einem nachgelassenen Aufsatz »American Indian Grammatical Categories«, der von M. Swadesh bearbeitet und in Word 2/1946 publiziert wurde (WW 5: 133-142). Hier spricht er ausdrücklich von sprachspezifischen Konfigurationen, die die universalen Strukturen artikulieren, so in der gleichen Begrifflichkeit, die er auch bei seinen späteren kulturtheoretischen Überlegungen benutzt.

[31] So ist er z.B. ein durchgängiger Bezugspunkt in den Arbeiten von W. Croft, z.B. in dessen einflußreichem »Typology and universals« Cambridge: Cambridge UP1990.

[32] »The Function of an International Auxiliary Language«, in: Psyche 44/1931: 4-15 (MB: 110-121). Dort setzt er sich auch mit der Szene von sektiererischen Bewegungen (Esperantisten u. dgl.) auseinander, und diskutiert im übrigen auch die Frage, ob nicht das Englische inzwischen ohnehin schon als internationale Verkehrssprache fungiert, s. auch die Einleitung von C. K. Ogden zu der zugrundeliegenden Erstpublikation, H. N. Shenton u.a. (Hgg.), »International Communication«, London: Kegan Paul usw. 1931: 7-10.

[33] Baltimore: Waverly Press. 1932 als Beiheft zur Zeitschrift Language. S. zu dieser Umorientierung in seinem sprachwissenschaftlichen Horizont den Kommentar von Malkiel »Sapir’s panoramic view (1926) of recent advances in linguistics«, in: Ritchie Key, Mary/Hoenigswald, Henry M. (Hgg.), »General and Amerindian ethnolinguistics: In remembrance of Stanley Newman«, Berlin: Mouton de Gruyter 1989: 89-104.

[34] In: Lg. 14/1938: 248-274.

[35] Der Orientalist F. Edgerton übertreibt allerdings, wenn er S. in seinem Nachruf (1939) als »leading exponent« der Laryngaltheorie rühmt (S. 463), wie der Blick auf jüngere Darstellungen dazu zeigt. Immerhin nahm allerdings W. P. Lehmann ihn in seine entsprechende Darstellung in »Proto-Indo-Eurpean-Phonology« auf (Austin, Texas: Univ. Texas Pr. 1952: 33-34), hier allerdings in der US-Linguistik.

[36] S. bei vielen auch hier im Katalog Versammelten, z.B. bei Penzl zum Germanischen, bei Blau zum Semitischen u.a.

[37] S. aber eine ähnliche Argumentation in S.s Vorlesung »Psychology of Culture«, S. 103 (s.o.).

[38] Bloomfield hat in seiner Rezension ausdrücklich auf diese blinde Stelle bei S. hingewiesen (nachgedruckt in Koerner 1984, hier S. 47).

[39] So ausdrücklich in seinem Aufsatz »Language« 1933, in MB: 7-32, wo er sagt: »We must learn to fight the implications of language«.

[40] Das hatte auch Boas schon in seinen frühen Arbeiten herausgestellt

[41] Eigenes Thema ist das mit dem von S. vorgeführten schrägen »Two Crow« in einem Aufsatz 1938 in der Zeitschrift Psychiatry (MB: 568-577). Daß diese Widersprüche gerade auch in die frühen Aufnahmen von S. eingeschrieben sind, hat M. Silverstein am Beispiel eines frühen Wishram-Textes gezeigt, »The secret life of texts«; in: M. Silverstein/G. Urban (Hgg.), »The natural histories of discourse«, Chicago: University of Chicago Pr. 1996: 81-105. Zu den entsprechenden Texten s. WW 7/1990, »Wishram texts and ethnography«.

[42] Zu diesem politischen Kontext s. Holzer 2005.

[43] 1938 lanzierte er immerhin u.a. eine Resolution gegen den Rassismus in Deutschland, s. Darnell, Q: 405).

[44] Zu diesen Zusammenhängen s. auch die Stellungnahme seines engen Weggefährten M. Swadesh (1909-1967), der selbst politisch noch eindeutiger als S. Stellungnahmen bezog und S. in seinem Nachruf seinen »Fight against injustice and discriminations« bestätigte.

[45] Er mußte seine Lehrtätigkeit bis kurz vor seinem Tod weiterführen, weil daran die Fortzahlung des Gehaltes gebunden war.