Mein Buch über Orientalismus, Philologie und die Unlesbarkeit der modernen Welt nahm seinen Ausgang von einem allgemeinen, mir selbst nur vage fassbaren Unbehagen über Lesen als Methode.[1] Zuvor hatte ich mich mit der Praxis des Schreibens in der Geschichtswissenschaft beschäftigt und dieses Projekt mit einem leichten Bedauern darüber abgeschlossen, dass ich es versäumt hatte, darin eine irgendwie tiefergehende Untersuchung des Lesens zu unternehmen. Die verfügbaren theoretischen und kulturhistorischen Untersuchungen über das Lesen zeigen kaum Neigung, sich mit dem Problem der Abgrenzung wissenschaftlichen Wissens von anderen Wissensbeständen zu beschäftigen; vielleicht, weil es so selbstverständlich scheint, dass die Fähigkeit zu lesen keine Domäne bildet, die exklusives Eigentum einer Wissenschaft sein könnte. Da jedoch viele geisteswissenschaftliche Disziplinen der Vorstellung verhaftet bleiben, dass sie über besondere Methoden des Lesens verfügen, die ansonsten unerreichbares Wissen hervorbringen, klafft hier eine epistemologische Lücke. „Henning Trüper: Taube oder Flughuhn? ÜBER PHILOLOGIE“ weiterlesen