Dirk Naguschewski: Das Leben erinnern. DIE BERLINER BUCHHÄNDLERIN UND FEMME DE LETTRES FRANÇOISE FRENKEL

Im September 1945 erschien im Züricher Verlag J. H. Jeheber die auf Französisch verfasste Autobiographie von Françoise Frenkel (1889–1975), einer polnischen Jüdin, der es gelungen war, dem Nazi-Terror zu entkommen: Rien où poser sa tête (auf Deutsch: Nichts, um sein Haupt zu betten). Bis 1937 hatte Frenkel die einzige französische Buchhandlung in Berlin geführt. 1943 war sie mit etwas Glück illegal von Frankreich aus in die Schweiz gelangt, wo ein Neffe für ihren Unterhalt sorgte. All das lässt sich in ihrer schnörkellosen Lebensgeschichte nachlesen. Doch die Nachkriegsjahre waren nicht die Zeit, in der die Erinnerungen einer Überlebenden, in denen es nicht nur um Flucht und Vertreibung, sondern auch um die französische Kollaboration geht, große Resonanz erwarten durften. Scham und Schrecken wurden verdrängt und Rien où poser sa tête geriet schnell in Vergessenheit. In deutschen Bibliotheken findet sich heute nicht ein einziges Exemplar der Erstausgabe. Doch das Buch und seine Autorin wurden in den letzten Jahren wiederentdeckt und der jüngste Beleg dafür ist eine in Frankreich erschienene Biographie jener eigenwilligen Frau, die mit vollem Namen Frymeta Françoise Rolande Idesa Raichinstein-Frenkel hieß (Corine Defrance: Françoise Frenkel, portrait d’une inconnue, Paris: L’arbalète/Gallimard 2022). „Dirk Naguschewski: Das Leben erinnern. DIE BERLINER BUCHHÄNDLERIN UND FEMME DE LETTRES FRANÇOISE FRENKEL“ weiterlesen

Moritz Neuffer: »GEGEN DIESES 68«. Zu Robert Stockhammer: 1967. Pop, Grammatologie und Politik

1967 veröffentlicht die im New Yorker Chelsea Hotel lebende Schriftstellerin Valerie Solanas die ersten Mimeographien ihres Manifests zur Gründung der Society for Cutting Up Men. Darin ruft Solanas dazu auf, »die Regierung zu stürzen, das Geldsystem abzuschaffen, umfassende Automation einzuführen und das männliche Geschlecht zu vernichten«.[1] Ihre radikale Kritik patriarchaler Verhältnisse verbindet sie mit Ankündigungen von Arbeitssabotage (»SCUM wird die verschiedensten Jobs annehmen und nicht arbeiten«) bis Mord (»SCUM wird alle Männer töten, die nicht Mitglieder der Männerhilfstruppe sind«).[2] Gefragt, wie ernst sie das meine, antwortet Solanas einem Journalisten, sie sei »dead serious«.[3]

Der literaturwissenschaftlichen Diskussion gibt diese Antwort die Erörterung der Gattungsfrage auf: „Moritz Neuffer: »GEGEN DIESES 68«. Zu Robert Stockhammer: 1967. Pop, Grammatologie und Politik“ weiterlesen