Franziska Thun-Hohenstein: WARLAM SCHALAMOW AN DEN LESER IM WESTEN. Ein Archivfund

Am 17. Januar 2022 jährt sich der Todestag des russischen Dichters und Schriftstellers Warlam Schalamow zum vierzigsten Mal. Mit seinen sechs Zyklen umfassenden Erzählungen aus Kolyma setzte er den Tausenden Toten in den Zwangsarbeitslagern des GULag ein bleibendes literarisches Denkmal. Der Jahrestag bietet nicht nur Anlass, sich mit Schalamows Ringen um eine literarische Aufarbeitung des staatlich organisierten Massenterrors gegen die eigene Bevölkerung auseinandersetzen. Ein Archivfund rückt auch seine Sorge um die Rezeption seiner Texte ins Blickfeld. Da in der Sowjetunion die Erinnerung an Terror und Gewalt tabuisiert wurde, kursierten diese zu Lebzeiten nur in Abschriften des Samisdat (›Selbst-Verlag‹) und blieben für das breite sowjetische Lesepublikum unzugänglich. Die ersehnte Anerkennung blieb ihm verwehrt. Mittlerweile werden seine Werke in Russland gedruckt und aus Anlass des Todestages würdigen Konferenzen seine literarische und menschliche Lebensleistung. Doch Schalamows Imperativ des Erinnerns, der Wahrung des Gedächtnisses an die stalinistischen Verbrechen trifft heute zugleich auf das Bestreben der russischen Machthaber, dieses Gedächtnis erneut mit repressiven Mitteln auszulöschen. Die jüngst vom Obersten Gericht der Russischen Föderation beschlossene »Liquidierung« der Internationalen Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge Memorial, die mit der Verbreitung eines lügnerischen Bildes von der Sowjetunion begründet wurde, ist nur ein Signal für die Politik einer Re-Stalinisierung.[1] „Franziska Thun-Hohenstein: WARLAM SCHALAMOW AN DEN LESER IM WESTEN. Ein Archivfund“ weiterlesen