Hanna Hamel: LIZENZ ZUR LÜGE IM ANGESICHT DES NAHEN TODES. High­smith und Houellebecq über Literatur

Auf meinem Schreibtisch liegen zwei Romane. Beide sind recht umfangreich, und die Lektüreerfahrungen ähneln sich. Nach der Hälfte stellt sich ein Gefühl von Enge ein; die Lust, die Bücher zu Ende zu lesen, nimmt ab. Aber obwohl das Erzählte zeitweise in verfestigten Bahnen zu laufen scheint, die ausweglosen Abläufe und möglichen Szenarien in der Lektüre fast absehbar sind, bleibt die Neugier – denn das kann es nicht gewesen sein, nicht bei dieser Autorin, nicht bei diesem Autor. Ab einem gewissen Moment, eher im letzten Drittel der Texte, bricht die enge Alltäglichkeit des erzählten Lebens angesichts unerwarteter Geschehnisse dann auch tatsächlich zusammen. Spätestens mit den abschließenden Seiten müssen das gesamte Erzählgeschehen und seine zentralen Figuren neu bewertet werden. Bei den zwei Büchern handelt es sich um Patricia Highsmiths Ediths Tagebuch (engl. Edith’s Diary, 1977) und Michel Houellebecqs gerade erschienenes Vernichten (frz. Anéantir, 2022).[1] „Hanna Hamel: LIZENZ ZUR LÜGE IM ANGESICHT DES NAHEN TODES. High­smith und Houellebecq über Literatur“ weiterlesen

Pola Groß / Hanna Hamel: Neue Nachbarschaften? STIL UND SOCIAL MEDIA IN DER GEGENWARTSLITERATUR

»Manchmal entstehen große Textteile auf Twitter. Ich kommentiere dort, woran ich gerade arbeite, und probiere aus«, beschreibt Buchpreis-Gewinner Saša Stanišić in einem Interview seinen Umgang mit Twitter, »aber ich würde nie versuchen, Twitter in meinen Texten zu imitieren.«[1] Der Autor weist auf eine intrikate Verbindung von Social Media mit dem Prozess des literarischen Schreibens hin. Denn wenn, wie Stanišić angibt, »große Textteile« auf Twitter entstehen, haben soziale Medien von Beginn an einen wesentlichen Anteil an der Textproduktion – unabhängig davon, ob der spätere Roman Tweets mimetisch abbildet oder nicht. Das Phänomen der so genannten »Twitteratur« ist zwar bereits seit einiger Zeit bekannt, vielleicht sogar schon wieder überholt.[2] Was allerdings geblieben ist, das ist Twitter als Notizbuch, als Bühne für die literarische Selbstinszenierung und als Ort der sozialen – und möglicherweise auch stilistischen – Kontrolle. „Pola Groß / Hanna Hamel: Neue Nachbarschaften? STIL UND SOCIAL MEDIA IN DER GEGENWARTSLITERATUR“ weiterlesen