Jenaba Samura: WALKING THE LINE / CROSSING BORDERS: CARYL PHILLIPS’ EVENING STROLL THROUGH EAST BERLIN

That the stares of hostility were motivated as much by envy as by racial antagonism did little to ease my discomfort.
Caryl Phillips, The European Tribe

Exploring Black Europe via travel, Black British journalist and photographer Johny Pitts (*1987) and his “mentor” Caryl Phillips (*1958) push the margins of how “Europeanness” can be defined.[1] As both come from a working-class background and grew up in the British countryside, there are many similarities not only in their biographies but also in their works, especially in their engagement with Europe, which they feel “both of and not of.”[2] In Afropean. Notes from Black Europe (2019), Pitts mentions the book’s connection to Phillips’ earlier travelogue The European Tribe (1987). He describes it as “one of the few direct precursors to this book” and praises it for being both “quietly subver­sive” and a normalization of the Black gaze (116–117). Pondering the question of who and what defines Europe/Europeanness, both Phillips and Pitts passed through Berlin on their travels around Western, Central, and Eastern Europe. „Jenaba Samura: WALKING THE LINE / CROSSING BORDERS: CARYL PHILLIPS’ EVENING STROLL THROUGH EAST BERLIN“ weiterlesen

Sandra Folie: APPROPRIATING EXOTICIST CODES, EXPOSING NEOCOLONIAL AMNESIA IN SUDABEH MORTEZAI’S “JOY”

In my project “Re-imagining Europe in Neocolonial Enslavement Narratives,” I examine fictional accounts of human trafficking, particularly those that focus on Black African women who migrate to Europe and end up as sex workers. I introduce the term “neocolonial enslavement narratives” to describe these texts as they depict late twentieth/twen­ty-first century experiences of enslave­ment while exposing Europe’s ongoing exploitation of its former colonies. Although these texts share a genre lineage with autobiographical slave narratives, which typically focus on U.S. antebellum slavery, they differ due to their fictionalization and contemporary European settings. A key strength of this emerging genre is its challenging of “the powerful narrative of Europe as a colorblind continent,”[1] supposedly untouched by the oppressive ideologies it spread globally. By decentering and appropriating the white European gaze, films such as Sudabeh Mortezai’s Joy (Austria 2018) contribute to a Black re-imagining of Europe. They also challenge androcentric perspectives in Afropean cultural productions, amplifying the voices of an often-overlooked group within the African diaspora. „Sandra Folie: APPROPRIATING EXOTICIST CODES, EXPOSING NEOCOLONIAL AMNESIA IN SUDABEH MORTEZAI’S “JOY”“ weiterlesen

Sandra Folie: ASPEKTE SCHWARZER GESCHICHTE(N) IN »BERLIN GLOBAL«. Eine Führungs- und Ausstellungsreflexion

Februar ist Black History Month[1] und damit der ideale Zeitpunkt, eine Blogserie über Berliner Orte zu beginnen, die wir – Gianna Zocco und Sandra Folie – im Zuge unseres neuen Forschungsprojekts »Schwarze Narrative transkultureller Aneignung« besuchen: Museen, Theater, Verlage, Archive usw., die für eine afroeuropäisch fokussierte Literatur- und Kulturforschung relevant sind und mit denen wir ins Gespräch kommen wollen.[2] Die erste Exkursion führte mich zur Ausstellung BERLIN GLOBAL im Humboldt Forum, die zu zeigen versucht, »wie die Stadt und ihre Menschen mit der Welt verbunden sind«[3]. Sie beruft sich dabei auf eine vielstimmige, partizipative Konzeption und Umsetzung und beschäftigt sich intensiv mit dem Thema des Kolonialismus und seinen Nachwirkungen.

Unter dem Titel »Sichtbar werden« führten eine externe afrodeutsche Expertin und eine Museumsvermittlerin im Gespräch – miteinander, aber auch mit der Gruppe – durch die Spuren Schwarzer[4] Geschichte(n) in der Ausstellung.[5] Welche Aspekte Schwarzer Geschichte(n) müssen aber in einer solchen Ausstellung erst im Rahmen einer speziellen Führung »sichtbar werden«, fragte ich mich vorab. Und würde sich die Führung mit ihrem Anspruch der Sichtbarmachung als ein Akt des narrating back und damit der partiellen oder temporären Aneignung eines (zu) weiß kodierten Raumes wie des Humboldt Forums[6] begreifen lassen? „Sandra Folie: ASPEKTE SCHWARZER GESCHICHTE(N) IN »BERLIN GLOBAL«. Eine Führungs- und Ausstellungsreflexion“ weiterlesen

Katrin Trüstedt: PROZESS DES ERSCHEINENS. Vom Rande des NSU-Verfahrens

Vor gut zehn Jahren rückte der NSU-Komplex ins Licht einer ahnungslosen Öffentlichkeit. Mit jedem neuen Detail der Mordserie, die bis zu diesem Punkt in den hinteren Mediensegmenten ein belangloses Dasein als ›Dönermorde‹ fristete, sandte eine Terrororganisation, die sich Nationalsozialistischer Untergrund nannte und die Morde nun öffentlich für sich reklamierte, nachträglich Schockwellen ins öffentliche Bewusstsein. Als Antwort auf den Terror, der sich direkt vor ihren Augen und doch jenseits ihrer Aufmerksamkeit abgespielt hatte, eröffnete die Gesellschaft, vertreten durch die Bundesanwaltschaft, dann am 6. Mai 2013 einen Prozess. Den Strafprozess als jenes öffentliche Verfahren, das die Ausübung legaler Gerechtigkeit verspricht – Gerechtigkeit durch Prozess und Gesetz –, nennt die amerikanische Literaturtheoretikerin Shoshana Felman »die angemessenste und wesentlichste, letztlich bedeutsamste Antwort der Zivilisation auf die Gewalt, die sie verwundet«.[1] Das Verfahren dieser Antwort verfolgt aber nun einen dezidiert eigenen Zweck, mit einem durchaus anderen Fokus als dem der gesellschaftlichen Aufarbeitung. Die Spannung zwischen dem innerrechtlichen Ziel einerseits – der Feststellung individueller Schuld – und dem gesellschaftlichen Bedarf an Aufarbeitung andererseits durchzieht den gesamten NSU-Prozess und prägt nicht zuletzt die Art, wie der gesamte NSU-Komplex dabei in Erscheinung und auf die Bühne der Welt tritt. „Katrin Trüstedt: PROZESS DES ERSCHEINENS. Vom Rande des NSU-Verfahrens“ weiterlesen