Dass das ZfL ihn seit Kurzem als Senior Fellow führt, passt so gar nicht zu der ungestümen Neugierde und den kreativen Energien, die sich Detlev Schöttker nicht nur bewahrt hat, sondern die jüngst über der Beschäftigung mit einem neuen Gegenstand eine neue Qualität gewonnen haben. Instantan, vehement und bedingungslos hat er sich nach dem Umzug des ZfL nach Wilmersdorf in ein neues Forschungsprojekt weniger vertieft als gestürzt. Doch recht besehen ist es kein neuer Gegenstand, sondern es sind seine alten Bekannten, die ihm rund um den Fasanenplatz wiederbegegnen. Ein größeres Geschenk als diese Nachbarschaft hätte man ihm vielleicht nicht machen können: Die literarische und kulturelle Moderne entstand hier! Der Fasanenplatz ist ein ›Freilichtmuseum‹ der Moderne mit Hauptmann, Brecht, Benjamin und vielen anderen. Und Detlev Schöttker wäre nicht Detlev Schöttker, wenn er die Öffentlichkeit nicht sogleich über einige seiner Funde und Entdeckungen informiert hätte. In der FAZ sind bereits mehrere Artikel von ihm über die erstaunliche Bedeutung unseres Kiezes für die Moderne erschienen. „Eva Geulen: Mann der Moderne ohne Wenn und Aber: DETLEV SCHÖTTKER ZUM 70. GEBURTSTAG“ weiterlesen
Schlagwort: Walter Benjamin
Jakob Moser: »DAS DÄMONISCHE BERLIN«: WALTER BENJAMIN ÜBER E. T. A. HOFFMANN
Wie die Literatur- und Theoriegeschichte zeigt, wurde das Dämonische im Gefolge von Goethe auf wirkmächtige Weise von den Dämonen entkoppelt.[1] Walter Benjamin brachte vor diesem Hintergrund E. T. A. Hoffmann ins Spiel, einen Schriftsteller, dessen »fieberhafte Träume« Goethe verschmähte.[2] Unter dem Titel Das dämonische Berlin sprach Benjamin im Februar 1930 in der Kinderstunde des Berliner Rundfunks über Hoffmann als Dichter der Großstadt.[3] Obwohl das Wort »dämonisch« nur im Titel fällt, eröffnet der Vortrag eine neue Sicht auf das post-goethesche Dämonische, denn die Medialität des Dämonischen wird darin auf mehreren Ebenen reflektiert, die das Radio selbst involvieren. „Jakob Moser: »DAS DÄMONISCHE BERLIN«: WALTER BENJAMIN ÜBER E. T. A. HOFFMANN“ weiterlesen
Sebastian Truskolaski: AKTIVISMUS, OFFENSIV UND POLEMISCH: Randbemerkung zur Frühgeschichte eines Begriffs
Einige Beiträge zum aktuellen ZfL-Jahresthema erinnerten zuletzt an dieser Stelle daran, dass das Begriffspaar »Aktivismus und Wissenschaft« von einem alten Spannungsverhältnis geprägt ist, welches sich gegenwärtig wieder bemerkbar macht. Eva Geulen etwa verweist auf den etliche Auseinandersetzungen im 20. Jahrhundert kennzeichnenden Gegensatz zwischen einer sich weltfremd im Elfenbeinturm ereignenden vita contemplativa und einer sich engagiert-praktisch gestaltenden vita activa. Zur Veranschaulichung nennt sie eine »Kontroverse zwischen Herbert Marcuse und Jürgen Habermas aus den späten 1960er Jahren«, in der Aspekte des Verhältnisses von Theorie und Praxis verhandelt wurden. In der Folge wird die Frage aufgeworfen, ob denn die Polarität von »›Elfenbeinturm‹ vs. Engagement« unter heutigen Bedingungen so noch bestehe oder ob wir es nicht eher »mit einer bisher unbekannten Konvergenz eines Aktivismus ›von oben‹ und ›von unten‹ zu tun« haben. „Sebastian Truskolaski: AKTIVISMUS, OFFENSIV UND POLEMISCH: Randbemerkung zur Frühgeschichte eines Begriffs“ weiterlesen
Yoko Tawada: ARIADNEFÄDEN ALS HARFENSAITEN DES DENKENS
Die Ausgabe Nr. 17 vom Oktober 2022 der chilenischen Kulturzeitschrift Papel Máquina ist der Arbeit der ehemaligen Direktorin des ZfL Sigrid Weigel gewidmet. Wir danken der Schriftstellerin Yoko Tawada für die Erlaubnis, ihren dort in spanischer Übersetzung erschienenen Beitrag im ZfL BLOG erstmals in der deutschen Originalfassung veröffentlichen zu dürfen.
Neulich nahm ich ein Buch von Sigrid Weigel in die Hand, das 1982 erschienen ist. Normalerweise bleiben alle Buchtitel auf einer Publikationsliste brav in einer chronologischen Reihe, und selbst wenn die Schlange sehr lang ist, was bei Weigel zweifellos der Fall ist, springt keiner von ihnen aus der Reihe und rennt nach vorne, in Richtung Zukunft. Aber es kommt doch vor, dass man, zum Beispiel bei einem Umzug, eines der Frühwerke in die Hand nimmt und darin blättert. Man wird überrascht von schillernden Denkbildern, die von heute sein könnten. Ansätze und Zusammenhänge, die man einer späteren Phase zugeordnet hätte, oder solche, die man jetzt erst begreift, stehen bereits in den älteren Büchern schwarz auf weiß. Gerade im digitalen Zeitalter, in dem die historischen Rahmen verschwimmen, gefällt mir die Unbestechlichkeit des Papiers, das die Zeit nie schleichend verfälscht. „Yoko Tawada: ARIADNEFÄDEN ALS HARFENSAITEN DES DENKENS“ weiterlesen
Oliver Grill: WETTERGESPRÄCHE. Sentimentalische Betrachtungen zu einem Sprachspiel
›Haben Sie heute schon über das Wetter geredet? Gestern oder vorgestern vielleicht? Und was wollten Sie damit sagen?‹ – Würden wir so auf der Straße angesprochen, wären wir vermutlich einigermaßen irritiert. Nicht nur wüssten wir das nicht so genau anzugeben, sondern wären auch von der Frage überrumpelt. Ein unbehagliches Schweigen weckte den Wunsch, eine Bemerkung über das Wetter zu machen, aber das ginge in dem Fall ja nicht. Und dann ist da noch der Trivialitätsverdacht: der Verdacht, im fraglichen Moment nichts anderes zu sagen gehabt zu haben; der Verdacht, eine Person zu sein, die redet, obwohl sie nichts zu sagen hat. Ernstlich fürchten muss man solche Fragen natürlich nicht. Aber interessant sind sie doch. Was und wie wir kommunizieren, wenn wir über das Wetter sprechen, scheint ebenso offen, wie die Frage, was dieser Kommunikationsakt über uns aussagt.[1] „Oliver Grill: WETTERGESPRÄCHE. Sentimentalische Betrachtungen zu einem Sprachspiel“ weiterlesen
Ross Shields: THE WORK OF ART IN THE AGE OF TRUMP
In the age of mechanical reproducibility, the ‘aura’ surrounding works of art undergoes a crisis. The contemporary relevance of Walter Benjamin’s thesis—in its societal, aesthetic, and media-theoretical significance—is illustrated by former U.S. president Donald Trump’s purported ownership of Les deux sœurs (Two Sisters), also known as Sur la terrasse (On the Terrace), by Pierre-Auguste Renoir. Journalist Mark Bowden, who caught a glimpse of the painting when he was invited to Trump’s jet in 1997, describes the event in an article for Vanity Fair: “He showed off the gilded interior of his plane—calling me over to inspect a Renoir on its walls, beckoning me to lean in closely to see … what? The luminosity of the brush strokes? The masterly use of color? No. The signature. ‘Worth $10 million,’ he told me.”[1] Of course, this is the attitude that one might expect from a real-estate mogul turned art collector (although not from a future president). In ignorance of both form and content—to say nothing of their unity—the painting is reduced to its sheer exchange value, concentrated in the signature guaranteeing its authenticity. „Ross Shields: THE WORK OF ART IN THE AGE OF TRUMP“ weiterlesen