Pola Groß: KINDER KRIEGEN. KINDER HABEN. Zu zwei Neuerscheinungen

Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege älterer Menschen gehören nicht zu den Tätigkeiten, die in der Literatur bislang viel Raum eingenommen haben.[1] Seit einiger Zeit ändert sich das und es erscheinen zunehmend Texte, die Sorgearbeit ins Zentrum rücken. Einen Schwerpunkt bilden Veröffentlichungen, die von den Anstrengungen von Mutter- und Elternschaft erzählen. Internationale Bekanntheit erlangte 2001 Rachel Cusks autobiographischer Essay A Life’s Work: On Becoming a Mother, der als einer der ersten Muttersein radikal und schonungslos schildert. Aber auch im deutschen Sprachraum sind Texte entstanden, die Mutter- und Elternschaft jenseits romantischer Verklärungen beschreiben: Essays, Romane und literarische Experimente beispielsweise von Antonia Baum (Stillleben, 2018), Mareice Kaiser (Das Unwohlsein der modernen Mutter, 2021), Julia Friese (MTTR, 2022), Maren Wurster (Eine beiläufige Entscheidung, 2022) oder dem Kollektiv Writing with CARE / RAGE (Rhizom – Offene Worte, 2021). Sie problematisieren etwa die fehlende Anerkennung für die häufig von Frauen ausgeführten und noch häufiger schlecht oder gar nicht bezahlten Sorgetätigkeiten oder reflektieren die enorme, vor allem an Mütter gestellte gesellschaftliche Erwartungshaltung. Viele der Texte beschreiben die Diskrepanz, die zwischen selbstbestimmten weiblichen Lebensentwürfen einerseits und traditionellen Rollenbildern und gesellschaftlichen Bedingungen andererseits besteht und umso deutlicher zutage tritt, sobald ein Kind da ist.

Auffallend ist, dass autobiographische Auseinandersetzungen mit dem Thema überwiegen. Das gilt auch für die beiden Veröffentlichungen, um die es im Folgenden gehen soll. Der 2020 von Barbara Peveling und Nikola Richter herausgegebene Sammelband Kinderkriegen. Reproduktion reloaded umfasst sechsundzwanzig persönliche Erfahrungsberichte zu Reproduktion und Elternschaft. Er ist in der von der Edition Nautilus herausgegebenen Reihe Flugschriften erschienen, die kritische Essayistik zu aktuellen gesellschaftspolitischen Themen und Ereignissen versammelt. Auch die Taschenbuchreihe Fröhliche Wissenschaft von Matthes & Seitz veröffentlicht Texte, die gesellschaftliche, politische und kulturelle Phänomene der Gegenwart reflektieren. Hier ist 2023 Heide Lutoschs Essay Kinderhaben erschienen, der in zweiunddreißig kurzen Kapiteln beschreibt, was es bedeutet, heute Kinder zu bekommen und großzuziehen, insbesondere für Frauen.[2] Thema, Aufbau, Titel und Anspruch beider Bücher klingen ähnlich, sie funktionieren jedoch sehr unterschiedlich.[3]

***

Kinderkriegen ist in drei Teile gegliedert, dessen erster die Zeit des Kinderwunsches, der zweite die der Schwangerschaft und der dritte die nach der Geburt umfassen. In ihrem anstelle eines Vorworts abgedruckten Chat betonen die Herausgeberinnen Peveling und Richter, dass die Anthologie sich besonders durch die vielen individuellen biographischen Geschichten auszeichnet: »Viele Texte lesen sich so, als ob ein guter Freund oder eine gute Freundin die intimsten Erfahrungen preisgibt« (Kk, 9). Dementsprechend kommen mit weiblichen, männlichen, (post-)migrantischen, hetero- und homosexuellen Perspektiven auf Reproduktion und Elternschaft nicht nur viele unterschiedliche Positionen zu Wort, es wird auch eine riesige Bandbreite an Themen behandelt: aktiver wie zurückgewiesener Kinderwunsch ebenso wie (bereute) Abtreibungen, ungewollte oder bewusst geplante Schwangerschaften, Eizellenspende, Leihmutterschaft, Fehlgeburt, Verlust des ungeborenen Kindes, Alleinerziehung, Körperbilder sowie Betrachtungen zu ge- und missglückten Formen des Zusammenlebens. Daneben werden auch Überlegungen zur Gestaltung des öffentlichen Raums, zu Klimaschutz, gendergerechter Sprache, Identität und Flucht im Kontext von Elternschaft angerissen.

Aufschlussreich sind insbesondere Beiträge, die tradierte Vorstellungen von Mutter- und Vaterschaft hinterfragen. So beschreibt Judith Sombray, dass ihr jahrelanger Kinderwunsch vor allem der gesellschaftlichen Vorstellung von einem gelungenen Frauenleben entsprach und weniger ihrem eigenen Bedürfnis. Claudia Klischat denkt über die ethischen Aspekte einer Schwangerschaft im Alter von 48 Jahren nach: Sind Eizellenspenden in Deutschland aus guten Gründen verboten oder besteht ein Recht auf Fortpflanzung egal welchen Alters frau ist (bei Männern wird diese Frage bekanntlich mit weniger Empörung gestellt)? Und Antje Schrupp diskutiert das »Schwangerwerdenkönnen« als reproduktive Differenz, die biologisch erst einmal auf Ungleichheit beruht: ein Teil der Menschheit kann schwanger werden, der andere nicht. Diese Einsicht müsste ihr zufolge der Ausgangspunkt für die Frage sein, ob diese Ungleichheit durch politische Maßnahmen verstärkt oder gemildert wird.

Der Band zeichnet sich auch durch Beiträge aus, die literarische oder formale Stilmittel nutzen, um vom Persönlichen zu erzählen. Nastasja Penzars lakonischer Text springt zwischen den Überzeugungen und Wünschen ihres gegenwärtigen und ihres vergangenen Ichs hin und her und reflektiert so ihren Kinderwunsch. Egon Koch schildert parallel zu seinen eigenen Gefühlen zu einer knapp vierzig Jahre zurückliegenden Abtreibung die Emotionen und Überlegungen seiner damaligen Partnerin, was der Text durch zwei unterschiedliche Schriftarten kenntlich macht. Das Bedauern über die damals getroffene Entscheidung wird durch die Dialogizität bekräftigt, die Trauer gemildert. Auch Berit Glanz nutzt typographische Mittel, um zwischen der konkreten Geschichte vom Verlust eines Zwillingskindes während der Schwangerschaft und späteren Reflexionen über die Gefühlszustände sowie allgemeineren Überlegungen zu medizinischen Vorgängen zu wechseln. Ihr Text erzeugt dadurch abwechselnd Nähe und Distanz, was die Eindringlichkeit der Erzählung verstärkt.

Obwohl viele der Beiträge für sich betrachtet zwar interessante Aspekte vorbringen oder berühren, offenbart sich in ihrer Zusammenstellung doch ein Problem des gesamten Bandes. Völlig unterschiedliche Geschichten, Perspektiven und Darstellungsformen stehen unvermittelt nebeneinander. Fast jeder Beitrag formuliert eine eigene, entweder politische, ethische oder gesellschaftskritische Haltung. Diese »Vielstimmigkeit« (Kk, 13) bleibt allerdings unkommentiert, die Herausgeberinnen betonen stattdessen, wie »wenig allgemeingültig« die Texte sind, »weil eben jede Kinderkriegen-Situation eine andere ist« (Kk, 9). Dadurch suggeriert der Band, dass alle Perspektiven, alle Meinungen zum Thema irgendwie ihre Berechtigung haben. Problematisch an der fehlenden Einordnung bzw. sinnvollen Begrenzung des Themas ist zum einen, dass sofort auffällt, welche Themen und Positionen fehlen – etwa die der Eizellenspenderin, der Leihmutter oder aber der Hausfrau und Mutter, die ein traditionelles Rollen- und Familienmodell lebt. Gerade am Fehlen letzterer wird zum anderen deutlich, dass der Band sehr wohl eine politische Präferenz hat.

Umso mehr verwundert, wie wenig Raum der Aspekt der Arbeit einnimmt. Nicht nur wäre dieser im Kontext neuerer Reproduktionstechnologien und eines entstehenden ›Reproduktionsmarktes‹ zu diskutieren. Kinderkriegen bedeutet bei aller Liebe und Zuneigung in der Regel auch Arbeit. Zudem verändert sich damit das Verhältnis zur Erwerbsarbeit – und das statistisch betrachtet insbesondere für Mütter in heterosexuellen Partnerschaften: Noch immer nehmen sie länger Elternzeit als Väter und bleiben häufig länger oder dauerhaft in Teilzeit, was nicht nur ihre Karrierechancen, sondern auch ihren Verdienst und ihre Rentenansprüche verringert.[4] Unabhängig davon stellt die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit für fast alle Eltern keine geringe Herausforderung dar. Bei einem so relevanten und kontrovers diskutierten Thema wie der Reproduktion wäre es daher aufschlussreicher gewesen, sich auf spezifische Aspekte, kritische Einsatzpunkte oder auch bestimmte Darstellungsformen zu konzentrieren, um zu einer über persönliche Einsätze hinausgehenden Betrachtung des Zusammenhangs von individueller Erfahrung und gesellschaftlichen Bedingungen zu gelangen.

***

Genau das zeichnet Heide Lutoschs Text Kinderhaben aus, der ein Essay im besten Sinne ist: Ausgehend von der subjektiven Erfahrung blickt Lutosch auf Mutter- und Elternschaft heute, analysiert deren gesellschaftliche Bedingungen, zugrundeliegende Geschlechterverhältnisse und damit verbundene kulturelle Imagines, die sie unter Einbeziehung kulturwissenschaftlicher, soziologischer und psychoanalytischer Forschungen historisiert und kontextualisiert. Aus diesen Analysen entwickelt sie politische Thesen. So weist sie etwa darauf hin, dass die Schönheit des Kindergroßziehens, das zuvor als anstrengend und schmutzig galt, eine Erfindung des 18. Jahrhundert ist. Der heutige Diskurs knüpft da an und betont »penetrant die Einzigartigkeit und Schönheit des Kinderkriegens und -habens« (Kh, 10). Sich dem zu entziehen, ist schwer:

Die Schwangerschaft wird zum neunmonatigen Körpererlebnis, die Geburt zum kreativen Akt, das Stillen ein Erlebnis bisher ungekannter Nähe. Und die bei allen Menschen weitgehend identisch ablaufende körperliche und kognitive Entwicklung vom Neugeborenen zum krabbelnden und brabbelnden Kleinkind wird zur großartigen Entfaltung eines einzigartigen Individuums verklärt – die nur mit absoluter Aufmerksamkeit der Mutter gelingen kann. Auf so einen Scheiß bin ich reingefallen? Ja, bin ich. (Kh, 10)

Lutosch spricht dem Kinderkriegen und -großziehen seine selbstverständlich auch schönen Momente nicht ab, aber sie kritisiert, wie eine körperlich und emotional anstrengende Aufgabe gesellschaftlich als wahnsinnig erfüllend und für Frauen völlig natürlich verklärt wird. Sie fragt, warum der Großteil reproduktiver Tätigkeiten – von Kinderpflege und -erziehung über den Haushalt bis hin zu allen als Mental Load[5] bezeichneten Aufgaben – noch immer überwiegend von Frauen erledigt wird und weshalb sich in so vielen heterosexuellen Paarbeziehungen die erreicht geglaubte Gleichberechtigung als Fiktion offenbart, sobald ein Kind da ist.

Die ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit ist nach Lutosch ein gesellschaftlich-politisches Problem, denn Männer verdienen bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit noch immer mehr, steuerrechtlich wird das Hauptverdiener-Zuverdiener-Modell begünstigt und Aufstiegschancen für Teilzeitkräfte sind gering. Problematisch sei das aus zwei Gründen: Erstens übernehmen Frauen einen Großteil der Sorgearbeit unter anderem deshalb, weil sie schlechter verdienen und auf ihr Gehalt besser verzichtet werden kann als auf das des Partners. Dadurch sind sie es, die lange oder dauerhaft in Teilzeit arbeiten, was nicht nur geringere Karrierechancen zur Folge hat, sondern auch geringere Rentenbezüge. Zweitens werden so kaum Anreize geschaffen, dass beide, Mann und Frau, in Teilzeit arbeiten, um sich die Sorgearbeit zu teilen.

Die ungleiche Verteilung der Sorgearbeit habe zudem, und hier folgt Lutosch Studien der Soziologin Nancy Chodorow und der Psychoanalytikerin Jessica Benjamin, mit tiefsitzenden psychologischen Verhaltensmustern von Männern und Frauen zu tun. Ausgehend von persönlichen Erfahrungen hat Lutosch vor allem ihre eigene Generation, also die in den 1970er Jahren Geborenen im Blick. Viele der Frauen hätten ihre eigene häufig nicht berufstätige und vom Ehemann abhängige Mutter als negatives Rollenmodell vor Augen, von dem sie sich abzusetzen versuchten. Das habe dazu geführt, dass Frauen heute deutlich mehr arbeiten als früher, da sie neben der mittlerweile fast selbstverständlichen Erwerbstätigkeit weiterhin noch den größten Teil der Familienarbeit übernähmen – gerade auch, weil etwa der selbstgebackene Geburtstagskuchen für die Kleinen so sehr zum Bild der perfekten, alles unter einen Hut bekommenden modernen Mutter dazugehört: »Bloß keine Hausfrau sein, heißt also die Devise, aber alles so machen wie eine gute Hausfrau« (Kh, 30). Die Väter der 1970er-Generation dienten Männern dagegen als Vorbilder, denn zumindest im Mittelstand der 1970er Jahre war es noch relativ problemlos möglich, seine Familie mit einer 40-Stunden-Stelle komplett zu ernähren und auch noch Zeit mit den Kindern zu verbringen. Aufgrund der deutlichen Reallohnsenkung könnten Männer solchen Rollenidealen heute kaum mehr entsprechen und ständen dementsprechend unter Druck (vgl. Kh, 60-62).

Auch wenn man mit Lutoschs Analyse mitgeht und annimmt, dass der psychoanalytische Ansatz den Blick auf gesellschaftliche Strukturen freigibt, stellt sich die Frage, wie man das Geschlechterverhältnis der Eltern von Kleinkindern heute, also der in den 1980er und 1990er Jahren geborenen Millenials, erklären kann. Denn an der ungleichen Verteilung von Erwerbs- und Sorgearbeitszeiten zwischen den Geschlechtern hat sich nur wenig geändert,[6] die Ausgangslage ist jedoch eine andere: Viele Mütter der Millennials waren berufstätig, ihre Väter nur noch selten Alleinverdiener.

Für die geschlechtsspezifische elterliche Rollenverteilung muss es also noch andere Erklärungen geben. Lutosch macht dafür vor allem die Dominanz der bürgerlichen Kleinfamilie verantwortlich. Diese passe zu gut zum kapitalistischen System und halte sich daher allen sonstigen gesellschaftlichen Veränderungen zum Trotz hartnäckig (vgl. Kh, 96; 100). Aber warum ist das eigentlich so? Lutosch selbst nennt vor allem plausible Gründe, warum Kapitalismus und Kinder sich nicht gut vertragen: Ersterer verlangt Ortswechsel, Schnelligkeit, Produktivität, Disziplin und Ausgeschlafenheit, während Letztere langsam, irrational, sprunghaft, unproduktiv, verträumt und vieles mehr sind (vgl. Kh, 98).

Dass der Kapitalismus unbezahlter Reproduktionsarbeit bedarf, ist eine These, die vor allem von feministischen Marxistinnen der 1970er Jahre formuliert wurde. Sie betonten, dass für die Reproduktion der Arbeitskraft die unbezahlte Familienarbeit der Frau genauso wichtig sei wie die Erwerbsarbeit des Mannes, für die er seinen Lohn erhalte. Das Lohnverhältnis des Mannes verberge die Arbeit der Frau, die, weil sie nicht entlohnt wird, nicht mehr als solche erscheine, dem Kapital aber in ähnlicher Weise zugutekomme.[7] Blickt man allerdings auf die Situation heute, könnte man auch fragen, ob der Kapitalismus nicht vielmehr davon profitieren würde, noch mehr Arbeitskraft in der Lohnarbeit zu binden und den Großteil der Familienarbeit zu kommodifizieren – wie es in der Altenpflege heute schon immer üblicher wird. Damit wäre die Reproduktion der Kleinfamilie mit ihren geschlechtsspezifischen Rollenverteilungen nicht mehr im Interesse des Kapitalismus.

Lutosch führt das Argument zwar in einem anderen Zusammenhang an, eine Erklärung für das gegenseitige Bedingungsverhältnis und damit auch für das Fortbestehen der geschlechtsspezifischen elterlichen Rollenverteilung gibt es dann vielleicht aber doch. Gerade weil in kapitalistischen Gesellschaften Leben und Arbeiten immer prekärer und herausfordernder werden, erscheinen Liebe, Familie und Tradition so wünschens- und erstrebenswert.

Was lässt sich dem entgegensetzen? Nach Lutosch nicht viel. Man müsse versuchen, sich zu ändern, auch als Frau: Immer wieder die »tief ins eigene Ich eingebrannten Bilder, Wünsche und Ängste« bekämpfen und die geschlechtsspezifische Rollenverteilung in Bezug auf die »emotionalen Aufgaben der Elternschaft« aufheben (Kh, 81); dazu zähle auch die Umverteilung der An- und Abwesenheit zuhause. Das ist sicher richtig, allerdings zeigen Lutoschs eigene Erfahrung und Analyse ja, wie schwierig es ist, mit individuellen Handlungen gegen gesellschaftliche Strukturen anzukämpfen. Da sie das selbst weiß, setzt sie vor allem auf genaue Beobachtung, konsequente Kritik und deutliche Formulierungen, um die Verhältnisse durchsichtig zu machen. In der Schärfe liegt zugleich der Witz des Textes. So endet der Essay mit einer Liste, die wirklich jeder und jedem die Illusion von der Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Kindergroßziehens nimmt. Verbittert ist der Text dabei keineswegs, denn vielleicht ist gerade die Einsicht in die Anstrengungen des Kinderhabens in unserer Gesellschaft die Voraussetzung dafür, dass es auch schön sein und werden kann. Ansatzpunkte gibt es genug.

Die Literaturwissenschaftlerin Pola Groß arbeitet am ZfL im Schwerpunktprojekt »Stil. Geschichte und Gegenwart«.

 

[1] Die Literaturwissenschaft hat solche Themen bislang eher als randständig behandelt. Mit Literatur und Care (hg. von Undercurrents, Berlin 2023) ist aber gerade ein Sammelband erschienen, der nach Genres, ästhetischen Formen und Verfahren der Literarisierung von Sorge-Verhältnissen in der Literatur fragt. Auch dieser Beitrag ist Teil von Überlegungen zu einem Projekt zum Stillen in der Literatur vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

[2] Im Folgenden sind mit ›Frau‹ all jene bezeichnet, die als Mädchen bzw. Frau sozialisiert wurden und/oder die sich als solche identifizieren. Des Weiteren werden Unterschiede zwischen Frauen und Männern nicht als biologische Tatsachen verstanden, sondern auf sozial und gesellschaftlich verankerte Praktiken zurückgeführt.

[3] Barbara Peveling/Nikola Richter (Hg.): Kinderkriegen. Reproduktion reloaded, Hamburg: Edition Nautilus 2020; im Folgenden zitiert im Text mit der Sigle Kk; Heide Lutosch: Kinderhaben, Berlin: Matthes & Seitz 2023; im Folgenden zitiert im Text mit der Sigle Kh.

[4] Vgl. etwa die Studie von Werner Eichhorst/Eric Thode: Vereinbarkeit von Familie und Beruf 2010, hg. von der Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 2010; oder die im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellte Expertise von J.M. Fegert u.a.: Vaterschaft und Elternzeit. Eine interdisziplinäre Literaturstudie zur Frage der Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung für eine gedeihliche Entwicklung der Kinder sowie den Zusammenhalt in der Familie, Berlin 2011.

[5] ›Mental Load‹ bezeichnet die Belastung, die durch unsichtbare Alltags- und Planungsaufgaben entsteht, die vor allem von Frauen übernommen werden. Lutosch fasst sie folgendermaßen zusammen: »Denk- und Fühlarbeit, Gestaltungswille, Initiative, Problembewusstsein, Koordinationskunst, Draufblick, Antizipationsvermögen, Beziehungsfähigkeit« (Kh, 65).

[6] Das im März 2023 vom Bundesfamilienministerium herausgegebene Familienbarometer bestätigt, dass die Hauptlast bei der Kinderbetreuung und Hausarbeit bei den Müttern liegt: »Die Kluft zwischen realer und idealer Aufteilung der Familienarbeit hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Oftmals erleben Elternpaare nach der Geburt eines Kindes – teils unbemerkt oder unfreiwillig – eine (Re-)Traditionalisierung und richten sich in einem ungleichen Sorgearbeitsarrangement ein«; Familienbarometer, hg. von Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend, Berlin 2023. Auch eine vom Statistischen Bundesamt durchgeführte Zeitverwendungserhebung ergab, dass Frauen im Untersuchungszeitraum 2012/13 mehr unbezahlte Arbeit geleistet haben als Männer.

[7] Zur Debatte vgl. Louise Toupin: Lohn für Hausarbeit. Chronik eines internationalen Frauenkampfs (1972–1977), Münster 2022.

 

VORGESCHLAGENE ZITIERWEISE: Pola Groß: Kinder kriegen. Kinder haben. Zu zwei Neuerscheinungen, in: ZfL Blog, 13.7.2023 [https://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2023/07/13/pola-gross-kinder-kriegen-kinder-haben-zu-zwei-neuerscheinungen/]
DOI: https://doi.org/10.13151/zfl-blog/20230713-01

Print Friendly, PDF & Email