Eva Geulen / Claude Haas: HÖLDERLIN UND HEGEL HEUTE

Freundschafft

Wenn Menschen sich aus innrem Werthe kennen,
So können sie sich freudig Freunde nennen,
Das Leben ist den Menschen so bekannter,
Sie finden es im Geist interessanter.

Der hohe Geist ist nicht der Freundschafft ferne,
Die Menschen sind den Harmonien gerne
Und der Vertrautheit hold, daß sie der Bildung leben,
Auch dieses ist der Menschheit so gegeben. „Eva Geulen / Claude Haas: HÖLDERLIN UND HEGEL HEUTE“ weiterlesen

A “MODEST MONUMENT” AWAITING COMPLETION. Gianna Zocco talks to Jean-Ulrick Désert and Dorothea Löbbermann about the W. E. B. Du Bois Memorial at the Humboldt University of Berlin

W. E. B Du Bois in Berlin
Fig. 1: W. E. B. Du Bois in Berlin, ca. 1894 © Department of Special Collections and University Archives, W. E. B. Du Bois Library, University of Massachusetts Amherst, reproduced by permission

A picture from the late nineteenth century showing about one-hundred students (fig. 1) – all of them male and similarly dressed in suits and neckties, some of them wearing hats. They display a degree of homogeneity unusual by today’s standards. An attentive observer will nonetheless detect that one of the students differs from his colleagues: he has significantly darker skin. The young man, seated in the second row from the top, is the African-American W. E. B. Du Bois (1868–1963), who was enrolled at the University of Berlin from 1892 to 1894.[1] When, in the hopefully not too distant future, the bustling university life resumes, when students cram into crowded lecture halls again, push through full corridors, past perhaps intimidating, perhaps inspiring sculptures, portraits, and other visual reminders of the apparently glorious past their alma mater is connected to, students of the Humboldt University will come across a memorial for Du Bois, one of the first American sociologists, co-founder of Pan-Africanism, civil rights activist, and prolific author of books such as The Souls of Black Folk (1903). „A “MODEST MONUMENT” AWAITING COMPLETION. Gianna Zocco talks to Jean-Ulrick Désert and Dorothea Löbbermann about the W. E. B. Du Bois Memorial at the Humboldt University of Berlin“ weiterlesen

Christina Ernst: DAS LEBEN SCHREIBEN. Annie Ernaux’ Tagebücher

Seit Mitte März werden online vermehrt sogenannte »Corona-Tagebücher« veröffentlicht, in denen Schriftsteller*innen ihre persönlichen Eindrücke der COVID-19-Krise festhalten.[1] Als von vornherein für die Öffentlichkeit konzipierte Textsorte arbeiten sie mit dem Format des »Tagebuchs« in Form von chronologisch sortierten und datierten Einträgen, die sukzessive publiziert werden. Mit diesen Corona-Tagebüchern, die das unmittelbare Zeitgeschehen kommentieren, soll eine Art Archiv der Gegenwart entstehen, das tendenziell auf Unabgeschlossenheit hin angelegt ist. Stilistisch zwischen ironisch-distanzierter Selbstreflexion und politischem Twitterkommentar gehalten, erscheinen sie als neueste Spielart jener Tendenzen zum Autobiographischen in der Gegenwartsliteratur, die seit einiger Zeit unter dem Label der Autofiktion bekannt sind. In diesem Zusammenhang wird häufig der Name der französischen Autorin Annie Ernaux genannt.[2] Allerdings hat der Tagebucheintrag in ihrem Werk eine besondere Funktion, dient er doch der nachzeitigen Stabilisierung ihrer anderen Texte. Sie selbst bezeichnet ihre Texte, die autobiographische Erlebnisse im Kontext der sie bestimmenden sozialen Strukturen erzählen, auch nicht als Autofiktionen, sondern als »Autosoziobiographien«, die sich – anders als die Corona-Tagebücher – ihrem Gegenstand nur im Rückblick annähern können. „Christina Ernst: DAS LEBEN SCHREIBEN. Annie Ernaux’ Tagebücher“ weiterlesen

Matthias Schwartz: DER »DIENER DES VOLKES«. Wolodymyr Selenskyjs Präsidentschaft in der Ukraine

Bevor Wolodymyr Selenskyj vor einem Jahr Präsident der Ukraine wurde, war er dies schon einmal gewesen, und zwar in seiner Rolle in der erfolgreichen Fernsehserie Sluha narodu (Diener des Volkes). Hier zeichnet sich nicht nur ein neues Verhältnis von digitaler Wirklichkeit und politischer Öffentlichkeit ab, sondern auch eine neue Form des Populismus, die nicht auf nationalistische Diskurse und reaktionäre Denkmuster baut, sondern antistaatliche und neoliberale Affekte miteinander verbindet. „Matthias Schwartz: DER »DIENER DES VOLKES«. Wolodymyr Selenskyjs Präsidentschaft in der Ukraine“ weiterlesen

Franziska Thun-Hohenstein: LEIDTRAGENDE KÖRPER

Warlam Schalamow (1907–1982) ist der einzige Schriftsteller in der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts, der dem Körpergedächtnis für sein eigenes Schreiben wie für das menschliche Gedächtnis an sich besonderen Stellenwert beimaß. Nahezu all seine überlieferten Prosatexte und Gedichte sind nach den vierzehn Jahren Gefangenschaft in den Lagern der Kolyma-Region, am Kältepol der Erde, verfasst worden. Alles, was er dort, am »Pol der Grausamkeit« des GULag durchleben musste, hat sich unauslöschlich in sein Gedächtnis wie in seinen Körper eingebrannt. Die Goldgrube der Kolyma, in der die Häftlinge bei Temperaturen bis zu minus 55 Grad arbeiten mussten, ließ den Überlebenden zeitlebens nicht los. Seinen eigenen Erfahrungen entnahm Schalamow ein neues, erschreckendes Wissen über die Verfasstheit des Menschen, über »das Gesetz des Verfalls« ebenso wie über »das Gesetz des Widerstands gegen den Verfall«. Dieses Wissen mit literarischen Mitteln gegen das Vergessen wachzuhalten, hieß vor allem eines: »Wichtig ist das Wiedererwecken des Gefühls.« Eben dieses Heraufholen des damaligen Gefühls ist für ihn die Garantie von Wahrhaftigkeit. „Franziska Thun-Hohenstein: LEIDTRAGENDE KÖRPER“ weiterlesen

Stefan Willer: DIE KUNST DES NACHWORTS. (Ein Nachtrag zu »Schalamow. Lektüren«)

Das kürzlich erschienene Büchlein Schalamow. Lektüren versammelt die Vorträge eines Kolloquiums zum Werk des russischen Schriftstellers Warlam Schalamow (1907–1982), das im Mai 2016 am ZfL stattfand. Unmittelbarer Anlass war damals der 65. Geburtstag von Franziska Thun-Hohenstein. Sie hat selbst zahlreiche Lektüren seiner Texte vorgelegt – nicht zuletzt in Gestalt der Nachworte in den mittlerweile sieben Bänden der Schalamow-Werkausgabe, deren Herausgeberin sie ist. Auch wenn der zweite Band kein Nachwort enthält und das Nachwort zum dritten von Michail Ryklin stammt, sind es doch Thun-Hohensteins Nachworte, die die Werke in Einzelbänden in besonderer Weise prägen. „Stefan Willer: DIE KUNST DES NACHWORTS. (Ein Nachtrag zu »Schalamow. Lektüren«)“ weiterlesen

Zaal Andronikashvili: GEORGISCHE LITERATUR HEUTE. Zwischen ›kleiner Literatur‹ und ›Weltliteratur‹

2018 ist Georgien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Zum ersten Mal nach der Wende wird die georgische Literatur damit prominent in einer fremden Sprache präsentiert. Gerade die Literaturen kleiner Nationen sind auf internationale Anerkennung dieser Art besonders angewiesen. Doch gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Literaturen ›kleiner‹ und ›großer Nationen‹? Diese Frage ist im Spannungsfeld zweier Konzepte zu diskutieren, die mit dem der Nationalliteratur als lange dominierendem Ordnungsprinzip literarischer Texte konkurrieren: kleine Literatur und Weltliteratur. „Zaal Andronikashvili: GEORGISCHE LITERATUR HEUTE. Zwischen ›kleiner Literatur‹ und ›Weltliteratur‹“ weiterlesen

Daniel Weidner: DIE WELT IST NICHT GENUG. Ottmar Ette über die »Literaturen der Welt«

›Weltliteratur‹ ist heute in aller Munde. Längst bezeichnet der Ausdruck nicht mehr einfach eine Menge von Texten, sondern steht für einen Diskurs über das Selbstverständnis der Literaturwissenschaft jenseits der Nationalphilologien. Vor allem im angloamerikanischen Raum wird world literature heiß diskutiert, und inzwischen nimmt die Diskussion auch in Deutschland Fahrt auf: Das nächste DFG-Symposium der Literaturwissenschaft, Flaggschiff der Disziplin, wird den Titel »Vergleichende Weltliteraturen« tragen. Verhandelt werden dabei wohl kaum die Literaturen verschiedener Welten – Romane der Marsianer … –, auch wird hoffentlich nicht einfach das Thema über den komparatistischen Leisten gezogen, sondern es werden verschiedene Konzepte und Diskurse der Weltliteratur verglichen werden. Ein solches Konzept entwirft auch Ottmar Ettes jüngster Band WeltFraktale. Wege durch die Literaturen der Welt (Stuttgart: Metzler, 2017). „Daniel Weidner: DIE WELT IST NICHT GENUG. Ottmar Ette über die »Literaturen der Welt«“ weiterlesen

Mona Körte: RAOUL SCHROTTS »ERSTE ERDE. EPOS«. Die Geburt des Universums in einer untoten Gattung

Wer im 21. Jahrhundert von ›Epos‹ spricht, meint selten die Gattung im Sinne eines ausgreifenden Erzählentwurfs in Versform, als vielmehr das, was von ihr übrigblieb: die ›epische Breite‹. Allerdings ist das einst gattungskonstitutive und heute meist alltagssprachlich gebrauchte Kriterium der epischen Breite längst gegen die erzählende Großform im Einsatz: Allzu ausladend und weitschweifig, stünden Anliegen und Thema – so der Vorwurf – in einem Missverhältnis zu Ausführung und Umfang.
Ein solches Missverhältnis kann für Raoul Schrotts Erste Erde. Epos sicher nicht gelten, erzählt der Autor hier doch auf 846 Seiten und in sieben Büchern plus Anhang von nichts Geringerem als der Genesis des Universums auf der Grundlage moderner Naturerkenntnis, Astrophysik und Kosmologie. „Mona Körte: RAOUL SCHROTTS »ERSTE ERDE. EPOS«. Die Geburt des Universums in einer untoten Gattung“ weiterlesen