Anna Förster: THEORIE – ÜBERSETZUNG – GESCHICHTE

Sammelbände zu rezensieren ist eine notorisch schwierige Angelegenheit. Dies liegt – vor allem anderen – an ihrer programmatischen Heterogenität. Häufig wird vollkommen Disparates mit hohem argumentativem Einsatz zusammengespannt und unter das Dach einer im Grunde nicht ein- sondern lediglich zugeschriebenen Leitfrage gezwungen. Sehr viel seltener ist hingegen, dass Vielfalt und Unterschiedlichkeit seiner Zugänge, Standpunkte und Argumente dem Sammelband nicht zum Nachteil gereichen, sondern, im Gegenteil, sich mimetisch zur Unabgeschlossenheit einer aktuellen Diskussion verhalten. Genau so verhält es sich erfreulicherweise im Falle des von Wolfgang Hottner herausgegebenen Sammelbands Deutsch-französischer und transatlantischer Theorietransfer im 20. Jahrhundert (Stuttgart: J.B. Metzler, 2020). Denn die Diskussion über die Frage, welche Rolle Übersetzungsprozesse für die Theoriegeschichte spielen und welchen Stellenwert ihnen die Theoriegeschichtsschreibung einzuräumen habe, wird – von wenigen Ausnahmen abgesehen[1] – zumindest hierzulande erst seit Kurzem ernsthaft geführt.

Noch 2015 erzählte Philipp Felsch in Der lange Sommer der Theorie die Geschichte des in den 1970er und 80er Jahren wesentlich durch die Veröffentlichung französischer Theoretiker*innen bekannt gewordenen West-Berliner Merve Verlags, ohne die dafür ganz offensichtlich konstitutiven Übersetzungsvorgänge und -instanzen auch nur ein einziges Mal zu erwähnen – eine Tatsache, die nicht nur Felsch selbst später bedauernd einräumte,[2] sondern die auch für den nun vorliegenden Sammelband einen diskursiven Ausgangspunkt darstellt. Seither sind im deutschsprachigen Raum vermehrt Versuche unternommen worden, sich diesem Fragekomplex zu nähern. Die Spannbreite der thematischen Schwerpunktsetzungen sowie der zugrunde gelegten konzeptionellen und begrifflichen Vorentscheidungen ist dabei groß und lässt – wie könnte es insbesondere bei diesem Gegenstand anders sein – immer wieder Eintragungen andernorts geführter Diskussionen erkennen. So finden sich an Felsch anschließende, aber die Übersetzungsproblematik nicht ausblendende Verlagsgeschichten[3] sowie Verflechtungsgeschichten, die sich an den Methoden der aus der Globalgeschichtsschreibung stammenden entangled history orientieren und die Rolle von Übersetzungsprozessen für die Theoriegeschichte eher akteurszentriert oder mit Blick auf sogenannte »Orte der Theorie« betrachten.[4]

Es gehört zu den Stärken des Sammelbandes, dass er nur wenige terminologische und methodologische Vorentscheidungen trifft, sondern den Beiträger*innen die Möglichkeit gibt, sich dem Gegenstand ›Theorieübersetzungsgeschichte‹ individuell zu nähern. Dies beginnt schon mit dem titelgebenden Mehrfachkompositum selbst, lässt es doch die Frage, in welcher Beziehung seine einzelnen Komponenten zueinander stehen – ob es hier also um eine Geschichte der Theorieübersetzung, oder, wie Franziska Humphreys in ihrem Beitrag formuliert, um die Betrachtung von Theoriegeschichte »durch das Prisma der Übersetzung[…]« geht (53) – auf elegante Weise offen. An keiner Stelle unternimmt die umfangreiche Einleitung des Herausgebers in dieser Hinsicht definitorische Fixierungen, sondern gibt lediglich an, sich »der Geschichte der Theorie in Hinblick auf ihre Übersetzungen« nähern (2) und dabei auch die Tatsache berücksichtigen zu wollen, dass »viele Theoretiker*innen selbst übersetzerisch tätig sind oder sich als Herausgeber*innen von Übersetzungen für die Verbreitung fremdsprachlicher Werke einsetzen« (8). Dass insbesondere mit Blick auf Letzteres die doch – irgendwie – im Zentrum dieser Publikation stehende Historisierung etwas zu kurz kommt, gehört zu den wenigen hier anzubringenden Kritikpunkten. Gerade die Beiträge aktiver Theorieübersetzer*innen – immerhin zehn von insgesamt 14[5] – zeigen jedoch, wie nahe sich das hier Betriebene oft an der Grenze zur Selbsthistorisierung bewegt. Das mag irritieren, oder aber, wie vorgeschlagen wird, als Ausweis für eine »Wechselseitigkeit von Theorie und Übersetzung« (ebd.) gelten. Es könnte aber auch dafür sprechen, das Übersetzen von Theorie selbst als doing theory zu betrachten, also als einen Modus nicht (nur) der Theorie-Reproduktion, sondern (auch) des Theorie-Machens.[6]

Der Band ist in vier quantitativ sehr unterschiedlich gewichtete Teile gegliedert. Die erste Sektion umfasst unter dem programmatischen Titel »Theorieübersetzungspraxis« vier Beiträge, in denen die Theorieübersetzer*innen Norbert Haas, Susanne Lüdemann, Johannes Kleinbeck und Sebastien Fanzun ihre Arbeit mit und an Texten Lacans, Derridas und Levinas’ reflektieren.[7] Im Zentrum dieser Beiträge stehen die spezifische Sprachgebundenheit der französischen Philosophie und Psychoanalyse der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die multiplen Herausforderungen, die sich daraus für die Übersetzung der in diesem Zusammenhang entstandenen Texte ergeben. Wie Lüdemann treffend bemerkt, bauen diese Texte nicht nur in hohem Maße auf die sprach- und übersetzungstheoretischen Überlegungen anderer auf – zu denken wäre hier an die Bedeutung Freuds für Lacan oder Saussures, Jakobsons und Benjamins für Derrida –, sondern formulieren auch selbst Vergleichbares. Dadurch, so Lüdemann, sei jedes Übersetzen ihrer Texte notwendigerweise auch ein Sich-Verhalten zur Sprach- und Übersetzungstheorie (und -praxis) der jeweiligen Autor*innen (vgl. 33, 41–47).

Eine Schwierigkeit, die vielfach anklingt, besteht darin, dass die Texte dieser und anderer Autor*innen wie beispielsweise Walter Benjamin (vgl. den Beitrag von Maurin) oder Hélène Cixous (vgl. den Beitrag von der Ostens) etablierte Vorstellungen und Schreibweisen des Theoretischen konsequent unterlaufen und deshalb auch in Hinblick auf ihre Übertragung in andere Sprachen häufig eher ins Feld der Literatur- als in das der Theorieübersetzung fallen. Nicht zuletzt wird dabei der hohe interpretatorische Einsatz deutlich, der mit der Übersetzung Derridas, Lacans oder ähnlich gelagerter Autor*innen einhergeht. Mehr noch als andernorts gilt hier, dass Übersetzungen eben nicht Kopien eines unveränderlichen Originals, sondern eher »Varianten« (28) desselben sind. Sie schaffen Deutungsmonopole und kanonisieren ganz bestimmte, vom Ursprungskontext mitunter stark abweichende Lesarten. Wie weit dies reichen kann, demonstriert der kurze, die Sektion beschließende Beitrag von Sebastien Fanzun, der 2019 gemeinsam mit Philippe P. Haensler Emmanuel Levinas’ Buch Husserls Theorie der Anschauung übersetzt und dabei, wie er schreibt, »konsequent Gendersternchen« gesetzt hat (49). Zwar bestehe deren Funktion in erster Linie darin, einer durch die längst erfolgte Kanonisierung von Levinas’ Denken bedingten »flüssige[n] Lektüre« mit Irritation und Störung zu begegnen (50), gleichzeitig aber steht das Vorgehen auch exemplarisch für eine Theorieübersetzungspraxis, die sich ihres Interpretation-Seins in hohem Maße bewusst ist.

Der zweite Teil des Bandes ist mit »Theoriegeschichten – Übersetzungsgeschichten« überschrieben. Hier lassen sich zwei Schwerpunkte ausmachen. Zum einen wird die grundsätzliche Frage diskutiert, was ›Theorie‹ eigentlich ist, wie das Theoretische vom Nicht-Theoretischen abzugrenzen sei und welche Rolle dabei das Verhältnis zu Übersetzung und Übersetzbarkeit spielen könnte. So schlägt etwa Franziska Humphreys vor, eben dies zum entscheidenden Kriterium für die Herausarbeitung eines spezifisch geisteswissenschaftlichen Theoriebegriffs zu machen, der sich vom Theorieverständnis der hard sciences – oder, wie hier hinzuzufügen wäre und wie u.a. Derrida anschaulich demonstriert hat,[8] auch der Logik – dadurch unterscheidet, dass er das Theoretische nicht mit totaler Transparenz und entsprechend rest- und reibungsloser Übersetzbarkeit assoziiert. Gerade der Fokus auf Übersetzungen und Übersetzungsprozesse mache sichtbar, so Humphreys, dass sich das theoretische Wissen der Geisteswissenschaften in einem Textkorpus konstituiere, das eben gerade nicht auf dem Phantasma einer vor- und außersprachlichen Erkenntnis beruhe, sondern sich, im Gegenteil, aus einer Vielzahl von Sprachen speise (vgl. 53–55).

Einen zweiten Schwerpunkt bilden in dieser Sektion die Beiträge von Elias Kreuzmair und Klaus Birnstiel, die sich mit der Frage nach dem epistemologischen Mehrwert einer auf Übersetzungsprozesse fokussierenden Theoriegeschichte befassen. So fragt Kreuzmair nach der Eignung dieser Perspektive, wenn es darum geht, die An- oder Abwesenheit einzelner Autor*innen in einem gegebenen theoretischen Kanon zu erklären. Am Beispiel Maurice Blanchots zeigt er, in welchem Ausmaß diskontinuierlich, asystematisch und in ständig wechselnden Kontextualisierungen erfolgende Übersetzungen die Kanonisierung von Autor*innen be- oder sogar verhindern können. Birnstiel hingegen sieht in der Untersuchung von Übersetzungsprozessen eine Möglichkeit, einige der im deutschsprachigen Raum mit Blick auf die Rezeption des französischen Poststrukturalismus etablierte Narrative zu korrigieren. Damit richtet er sich vor allem gegen die im eingangs erwähnten Buch von Philipp Felsch formulierte »Legende, […] wonach sich der Poststrukturalismus leidglich über seine Rezeption im links-alternativen West-Berliner Milieu der siebziger und achtziger Jahre« etabliert habe (109). Birnstiel zufolge zeigt gerade die Einbeziehung übersetzungsgeschichtlicher Aspekte, dass viele der Autor*innen, die in diesem Zeitraum bei Merve oder auch in linken Zeitschriften wie der alternative publiziert wurden,[9] in den 1960er Jahren bereits bei Suhrkamp oder im Kursbuch und damit entgegen weit verbreiteter Annahmen durchaus in normbildenden, wenn nicht gar autoritativen Kontexten erschienen waren.

Der dritte Teil des Bandes, »Übertragungen – Störungen«, enthält neben den oben bereits genannten Beiträgen von Kasper und Sauter auch einen Aufsatz von Antonia von Schöning, der mit der Technikgeschichte des Übersetzens einen im Band ansonsten nicht vertretenen Aspekt in die Diskussion einbringt. Erinnert wird hier an die Computerpionierin Ada Lovelace und das von ihr geschriebene Programm für die 1843 von Charles Babbage entwickelte Analytical Engine, das Lovelace in den Augen Schönings zur Vordenkerin der maschinellen Übersetzung macht. Hervorzuheben ist hier die scheinbar nebensächliche Beobachtung, dass Lovelace ihr Programm und weiterführende Überlegungen nicht in einem eigenen Text, sondern in einem Kommentar zu einer von ihr übersetzten Schrift Babbages formuliert. Wenn auch eher indirekt rückt damit die Rolle von übersetzerischen Paratexten für eine mögliche Historiographie der Theorieübersetzung in den Blick und es wird erahnbar, dass diese nicht nur, wie Hottner in seiner Einleitung anmerkt, die »konstitutive Nachträglichkeit von Übersetzungen« markieren und Handreichungen für die Rezeption formulieren (17), sondern dass sie auch selbst Ort und Medium genuiner Theoriearbeit sein können.

Den Band beschließt ein vierter Teil, in dem mit Alexander García Düttmann ein weiterer Derrida-Übersetzer zu Wort kommt, der jedoch weniger seine konkrete übersetzerische Arbeit denn die ihr zugrunde liegende Motivation thematisiert – und dabei das Übersetzen theoretischer Texte als ebenso intellektuellen wie institutionellen Aktivismus vorstellt. Hier wird deutlich, wie wenig deckungsgleich Übersetzungs- und Institutionengeschichte trotz ihrer unzweifelhaft engen Verknüpfung häufig sind. Derrida zu übersetzen, so Düttmann, habe in der Bundesrepublik der 1980er Jahre bedeutet, gegen die ihn ob seines angeblichen Irrationalismus verleumdende akademische Philosophie Partei zu ergreifen. Ja mehr noch, der Enthusiasmus und die Naivität, ohne die ein derartig gelagertes Übersetzungsprojekt nicht hätte betrieben werden können, seien im institutionalisierten akademischen Kontext sogar einigermaßen suspekt gewesen.

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Geradezu panoramatisch wirft Hottners Sammelband eine Reihe von Fragen auf, welche die Diskussion um die Rolle von Übersetzungsprozessen für die Theoriegeschichte und -geschichtsschreibung noch eine ganze Weile beschäftigen dürften.

Da ist, erstens, die Frage, wie legitim es ist, eine hier ja bereits im Untertitel in Aussicht gestellte ›deutsch-französische Theorieübersetzungsgeschichte‹ ausschließlich und vor allem unkommentiert als rein westdeutsche Angelegenheit zu untersuchen. Dies ist keineswegs ein Problem allein dieser Publikation, sondern folgt einer disziplinären Logik, welche die DDR habituell als Sonderfall einstuft und dabei übersieht, dass gerade auch im Kontext der auch in zahlreichen Beiträgen des Sammelbands berührten Verlags- und Editionsgeschichte theoretischer Texte nicht von zwei separaten Historiographien, sondern eher von einer gemeinsamen »verflochtene[n] Parallelgeschichte« auszugehen ist.[10] Speziell für den Fokus auf Übersetzungsprozesse ist der deutsch-deutsche Fall sogar von besonderem Interesse, zeigt er doch, dass das Ausbleiben von Übersetzungstätigkeit nicht notwendigerweise nur eine Folge institutioneller und politischer Beschränkungen ist, sondern immer auch im Zusammenhang mit der (inoffiziellen) Verfügbarkeit und sprachlichen Zugänglichkeit anderweitig entstandener Übersetzungen betrachtet werden muss.[11]

In methodischer Hinsicht demonstriert der Band, zweitens, auf exemplarische Weise, wie schwierig es ist, die »äußere Geschichte der Übersetzungen« mit »dem Projekt einer Analyse [ihrer] inneren Geschichte« zu verbinden (99), wie es Kreuzmair in seinem Beitrag formuliert. Deren Aufgabe wäre es, neben den sozial-, institutions- und diskursgeschichtlichen Dimensionen von Übersetzungsgeschichte, die hier ganz überwiegend im Fokus stehen, auch die Geschichte der dabei zum Einsatz kommenden linguistischen und terminologischen Operationen in den Blick zu nehmen. Im vorliegenden Sammelband wird dies bedauerlicherweise nur vereinzelt und auch dann lediglich kursorisch versucht (vgl. z.B. einige Passagen in Birnstiels Beitrag, S. 113–115). Auch hier lohnt ein Blick über den (west-)deutschen bzw. deutschsprachigen Kontext hinaus. So werden – von der deutschen Forschungslandschaft bedauerlicherweise weitgehend unbemerkt – etwa in Polen seit einigen Jahren intensive und vor allem mit Blick auf die Interdependenz von Übersetzungsverfahren und Terminologieentwicklung höchst bemerkenswerte Forschungen zur Übersetzungsgeschichte unter anderem Derridas betrieben.[12]

Und schließlich stellt sich, drittens, die Frage, inwiefern der Inblicknahme von Übersetzungsprozessen das Potenzial eignet, Grundsätzliches über die Entstehung, Vermittlung und Diffusion theoretischen Wissens sichtbar zu machen – oder ob das hier behauptete und nicht zuletzt in den Übersetzer*innen-Beiträgen auch immer wieder unter Beweis gestellte »Wechselverhältnis zwischen Theorie und Übersetzung« doch eher ein geisteswissenschaftliches Spezifikum ist,[13] wenn nicht sogar eines, das sich auf die hier adressierte französische Theorie der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschränkt.

Die Literaturwissenschaftlerin Anna Förster arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Slawistische Literaturwissenschaft der Universität Erfurt.

[1] Vgl. beispielsweise Armin Paul Frank (Hg.): Übersetzen, verstehen, Brücken bauen. Geisteswissenschaftliches und literarisches Übersetzen im internationalen Kulturaustausch, Berlin 1993.

[2] Vgl. Philipp Felsch: Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960–1990, Frankfurt a.M. 2016, S. 241.

[3] Vgl. Morten Paul: »Theorieübersetzungen. Die frühen Bücher Jacques Derridas im Suhrkamp Verlag«, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 43.1 (2018), S. 198–234.

[4] Als Beispiel genannt sei hier ein an den Universitäten Tübingen, Münster und Warschau sowie der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedeltes Handbuchprojekt zur internationalen Verflechtungsgeschichte mittel- und osteuropäischer Literaturtheorie im 20. Jahrhundert. Vgl. hierzu Schamma Schahadat/Michał Mrugalski/Irina Wutsdorff: »Modern Literary Theory in the Cultures of Central and Eastern Europe as an Entangled Intellectual History Beginning in the 20th Century to the Present«, in: Slovo a smysl/Word and Sense 24 (2015), S. 231–238. Informiert wird dieses Projekt u.a. von der seit einigen Jahren in Polen geführten Diskussion um eine topographisch angelegte und auf ›Orte der Theorie‹ (so auch der Titel der seit 2002 in Poznań erscheinenden Zeitschrift Przestrzenie teorii) perspektivierende Theoriegeschichtsschreibung. Als paradigmatische Orte der Theorie werden in diesem Zusammenhang Übersetzungen ausgemacht. Vgl. Danuta Ulicka: »Rzut oka na nowoczesne polskie literaturoznawstwo teoretyczne«, in: dies. (Hg.): Wiek teorii. Sto lat nowoczesnego literaturoznawstwa polskiego, Warszawa 2020, S. 9–159, hier S. 85.

[5] Dies gilt für die Beiträge von Norbert Haas, Susanne Lüdemann, Johannes Kleinbeck, Sebastien Fanzun, Marion Maurin, Esther von der Osten, Oliver Precht, Judith Kasper, Caroline Sauter und Alexander García Düttmann.

[6] Letzteres findet sich bei minimaler zeitlicher und räumlicher Ausweitung des Horizonts schnell bestätigt, etwa wenn man den Beitrag bedenkt, den Tzvetan Todorov mit seinen 1965 unter dem bezeichnend universalistischen Titel Théorie de la littérature erschienenen Übersetzungen russischer Formalisten von Šklovskij und Jakobson bis hin zu Propp für die Herausbildung der strukturalen Erzähltheorie in Frankreich geleistet hat (Théorie de la littérature. Textes des Formalistes russes réunis, présentés et traduits par Tzvetan Todorov. Préface de Roman Jakobson, Paris 1966). Sehr viel weniger bekannt, aber ganz ähnlich gelagert und vor allem noch zweieinhalb Jahrzehnte vor Todorov entstanden sind die slowakischen Übersetzungen russischer Formalisten durch den Literaturwissenschaftler Mikuláš Bakoš (Teória literatúry. Výbor z ›Formálnej metódy‹. Sostavil a preložil Mikuláš Bakoš, Trnava 1941), die wesentlich zur Herausbildung eines vom Prager Linguistischen Zirkel unabhängigen slowakischen Strukturalismus beigetragen haben. Die Parallelen zwischen beiden Fällen reichen bis in die Titel der Anthologien hinein.

[7] An anderen Stellen im Band einsortiert, thematisch sowie mit Blick auf die Verfasser*innen aber ebenfalls in diesem Kontext zu verorten, sind außerdem die Beiträge von Esther von der Osten, Oliver Precht, Marion Maurin, Judith Kasper und Caroline Sauter.

[8] Vgl. Jacques Derrida: »If There Is Cause to Translate I. Philosophy in its National Language (Towards a ›licterature en françois‹)«, in: ders.: Eyes of the University. Right to Philosophy 2, Stanford 2004, S. 1–20. Zum in Analogie zu den Theoriebegriffen der hard sciences geprägten Begriff einer ›soft theory‹ siehe Wolfgang Iser: How to Do Theory, Malden/Oxford 2006, S. 5–7.

[9] Zur theoriegeschichtlichen Bedeutung der alternative vgl. auch Moritz Neuffer: Die journalistische Form der Theorie. Die Zeitschrift ›alternative‹, 1958–1982, Göttingen 2021.

[10] Christoph Kleßmann: »Spaltung und Verflechtung – Ein Konzept zur integrierten Nachkriegsgeschichte 1945-1990«, in: ders./Peter Lautzas (Hg.): Teilung und Integration. Die doppelte deutsche Nachkriegsgeschichte als wissenschaftliches und didaktisches Problem, Bonn 2005, 20-36 passim. Speziell mit Blick auf die Geschichte ost-westdeutscher Lizenzausgaben Anke Jaspers: »Ausgabenpolitik. Verlagspraktiken im geteilten Deutschland am Beispiel von Angela Krauß, Volker Braun und Uwe Kolbe«, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 43 (2018) 1, 151–180.

[11] Ein interessantes Beispiel hierfür ist die Rezeption Roland Barthes’ in der DDR. Obwohl dort 1968 die an der Berliner Humboldt-Universität lehrende Romanistin Rita Schober die erste deutschsprachige Monographie zu Barthes veröffentlichte und sich selbst der oberste Kulturverantwortliche und SED-Chefideologe Kurt Hager für eine mögliche Übersetzung seiner Werke in der DDR offen zeigte, wurde dies nie realisiert, waren doch viele seiner Arbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits in der BRD auf Deutsch erschienen. Vgl. Rita Schober: Im Banne der Sprache. Strukturalismus in der Nouvelle Critique, speziell bei Roland Barthes, Halle 1968; hierzu auch Wolfgang Asholt: »Rita Schober und die Entwicklung der Romanistik im 20. Jahrhundert«, in: Sitzungsberichte der Leibnitz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin 136 (2018), S. 11–29, sowie Hans-Christoph Rauh: »Eine abgebrochene interdisziplinäre Debatte zum Strukturalismus an der Humboldt-Universität im Jahre 1969 aus philosophischer Sicht«, in: Wolfgang Girnus/Klaus Meier (Hg.): Die Humboldt-Universität Unter den Linden 1945–1990. Zeitzeugen – Einblicke – Analysen, Leipzig 2010, S. 533–567.

[12] Exemplarisch zu nennen ist hier Barbara Brzezicka: Problematyka przekładu filozoficznego. Na przykładzie tłumaczeń Jacques’a Derridy w Polsce, Warszawa 2018.

[13] Vgl. hierzu auch Barbara Cassin: »La traduction comme savoir-faire avec les différences, ou du meilleur paradigme pour les sciences humaines«, in: dies.: Éloge de la traduction. Compliquer l’universel, Paris 2016, S. 223–226, sowie Cassins vielfach zitiertes Projekt eines Wörterbuchs der ›Unübersetzbaren‹ der europäischen Philosophie (Vocabulaire européen de philosophies. Dictionnaire des intraduisibles, Paris 2004), das dieser Diskussion gewichtige Impulse gegeben hat, aber nicht zuletzt aufgrund seiner enzyklopädischen Anlage gerade dann an seine Grenzen gerät, wenn es um Fragen der Historisierung und damit um den Schritt von der Theorieübersetzung zur Theorieübersetzungsgeschichte geht.

 

VORGESCHLAGENE ZITIERWEISE: Anna Förster: Theorie – Übersetzung – Geschichte, in: ZfL BLOG, 8.12.2021, [https://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2021/12/08/anna-foerster-theorie-uebersetzung-geschichte/].
DOI: https://doi.org/10.13151/zfl-blog/20211208-01

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