Auf der ZfL-Klausurtagung 2024 wurde Mohamed Mbougar Sarrs Roman La plus secrète mémoire des hommes (Die geheimste Erinnerung der Menschen) gelesen.[1] Dieses Werk wirft einige Fragen auf, die dem ZfL-Jahresthema »Aktivismus und Wissenschaft« nahestehen: Welche Asymmetrien existieren in der Bewertung von Literatur? Legen Literaturwissenschaft und Literaturkritik abhängig von der Herkunft, Ethnizität und/oder race der Autor:innen unterschiedliche Maßstäbe an? Welche Rolle spielen im Literaturbetrieb Diskussionen um kulturelle Aneignung oder die Praktik des ›Cancelns‹, bei der – wie es im Duden heißt – »einer Person oder einer Organisation aufgrund vorgeworfener [moralischer, politischer] Verfehlungen die bisherige Unterstützung entz[ogen wird]«? Und wie aktualisiert sich das alte Muster Elfenbeinturm vs. Engagement in der Rezeption von Gegenwartsliteratur? Auch wenn Sarr seinen Fokus weniger auf die Wissenschaft als vielmehr auf den Literaturbetrieb richtet, spielt die Einflussnahme von Wissenschaftler:innen auf die Rezeption von Literatur im Roman eine entscheidende Rolle. Sie bildet, wie ich zeigen werde, einen möglichen Ausgangspunkt für die Erkundung des Verhältnisses von Ästhetik und Politik.
Intertextualität oder Plagiat?
Die geheimste Erinnerung der Menschen ist überwiegend aus der Perspektive des Senegalesen Diégane Latyr Faye erzählt, eines angehenden Schriftstellers und Doktoranden der Literaturwissenschaft, der sich im Sommer 2018 in Paris auf die Suche nach einem verschollenen Autor namens T.C. Elimane und dessen Werk begibt.[2] In der erzählten Welt des Romans hatte dieser ebenfalls aus dem Senegal stammende Schriftsteller 1938 einen umstrittenen Debütroman veröffentlicht, Das Labyrinth des Unmenschlichen. Elimane war dafür zwar als »schwarzer Rimbaud« (84) gefeiert, sein Schreiben aber auch als »Geifer eines Wilden« (88) abgetan worden. Während der Roman den einen zu ›afrikanisch‹ war, wünschten sich andere »mehr tropisches Kolorit, mehr Exotismus, mehr Durchdringung der afrikanischen Seele« (93). Manche bezweifelten sogar, »dass ein Afrikaner imstande sein könnte, ein Buch wie dieses auf Französisch zu schreiben« (82), und stellten Elimanes Autorschaft bzw. die Originalität seines Werks grundsätzlich infrage.
Drei im Roman skizzierte Reaktionen auf Das Labyrinth des Unmenschlichen erscheinen mir im Hinblick auf die Frage nach Elimanes originärer Autorschaft besonders aufschlussreich:
- Ein Professor für afrikanische Ethnologie am Collège de France, Henri de Bobinal, behauptete, dass Elimane den Gründungsmythos der senegalesischen Ethnie der Bassari übernommen habe, und wertete dies als »Plagiat« im Sinne einer literarischen kulturellen Aneignung: »Vielleicht steckte eine edle Absicht dahinter (die Bassari-Kultur bekannt zu machen), doch warum erwähnt er dann mit keinem Wort dieses Volk, zu dem er vielleicht gehört? Warum schreibt er, als ob diese Geschichte allein seiner Fantasie oder seinem Talent entsprungen wäre?« (100)
- Ein Kollege Bobinals, der Inhaber eines Lehrstuhls für Literatur am Collège de France, Paul-Émile Vaillant, sprach zwar »vom subtilen und unverhohlenen ›literarischen Diebesgut‹« (101) und von Elimanes Plünderungen »von europäischen, amerikanischen, orientalischen Klassikern« (102). Allerdings gehörte er zu den wenigen, die die ästhetische Gestaltung von Elimanes Werk näher in den Blick nahmen, etwa das »Verfahren« bzw. die »Fähigkeit des Autors, Fragmente aus all diesen Büchern aneinanderzureihen und unter seine eigene Prosa und die originelle Haupterzählung zu mischen, ohne dass der Text dadurch unverständlich wird« (ebd.).
- Der Literaturkritiker Auguste-Raymond Lamiel schließlich radikalisierte diesen Ansatz, der Elimanes kunstvolle literarische Form anerkennt, indem er fragte, ob denn »nicht die gesamte Literaturgeschichte die Geschichte eines großen Plagiats« sei: »Was wäre Montaigne ohne Plutarch gewesen? Was La Fontaine ohne Äsop? Was Molière ohne Plautus? Was Corneille ohne Guillén de Castro? Das eigentliche Problem ist vielleicht das Wort ›Plagiat‹. Sicherlich wäre es anders gekommen, hätte man stattdessen die literarischere, wissenschaftlichere, zumindest dem Anschein nach edlere Vokabel der Entlehnung verwendet.« (104)
Die ersten beiden Positionen zeigen, wie Elimane von angesehenen weißen Wissenschaftlern diskreditiert wurde: überaus selbstbewusst und moralisierend vom Ethnologen Bobinal, der von Elimane fordert, »in aller Öffentlichkeit Abbitte [zu] leisten« (100); und, etwas ambiger, vom Literaturwissenschaftler Vaillant, bei dem die Frage nach der Grenze zwischen positiv zu bewertender Intertextualität und illegitimer literarischer Aneignung zumindest anklingt. In der dritten Position des Literaturkritikers Lamiel wird deutlich, dass diese Grenzziehung samt damit einhergehender unterschiedlicher Bewertung womöglich von der Herkunft des Schreibenden abhängt und folglich von Bobinal und Lamiel ein doppelter Maßstab angelegt wird. »Was bei einem westlichen Autor als intertextuelle Collage oder Umdichtung gilt, wird bei einem Autor aus Afrika als Plagiat gebrandmarkt«, kommentieren diesbezüglich die Literaturwissenschaftler:innen Irene Albers und Andreas Schmid.[3]
Die (Un-)Kultur des Cancelns
Der Verdacht, dass die beiden Wissenschaftler des Collège de France in ihrer Wertung durch rassistische Vorurteile beeinflusst worden sein könnten, erhärtet sich, wenn Sarrs Roman in einer satirischen Wendung offenbart, dass der Ethnologe Bobinal den angeblich von Elimane plagiierten Mythos selbst erfunden hatte. Der Plagiatsvorwurf wird somit als Strategie entlarvt, den senegalesischen Schriftsteller zu canceln. Diese Erkenntnis kommt jedoch erst durch Diéganes Recherchen ans Licht und damit für Elimane und sein Buch Jahrzehnte zu spät: 1938 hatte der Verlag den Roman aus dem Handel genommen, den Restbestand vernichtet und war in die Insolvenz gegangen. Elimanes Karriere war vorbei, noch bevor sie richtig begonnen hatte.
Sarr deutet mit der Plagiatsaffäre um Elimanes Roman eine Art Vorgeschichte der Cancel Culture im Literaturbetrieb an. Bezogen auf Literatur fungiert Cancel Culture heute insbesondere als konservativer »Kampfbegriff«,[4] um die vermeintliche Zensur von literarischen (Kinderbuch-)Klassikern anzuklagen: entweder, weil diese diskriminierende Inhalte aufweisen, oder aber, weil gegen ihre Autor:innen schwere moralische Vorwürfe erhoben werden.[5] Das dahinterstehende Prinzip, Autor:innen aufgrund kontroverser Äußerungen oder als unangemessen empfundener Darstellungen in ihren Werken gezielt zum Schweigen zu bringen, ist jedoch nicht neu. Ebenso wenig ist es neu, dass dabei textimmanente Merkmale mit sozialen Identitätsmerkmalen der Autor:innen vermischt werden.
Sarr zeigt, dass die Diffamierung Elimanes keinen fiktiven Einzelfall darstellt, sondern vielmehr Realitäten des Literaturbetriebs widerspiegelt. Denn Elimane wird nicht nur als Vorläufer von Jorge Luis Borges und Roberto Bolaño[6] präsentiert, sondern verkörpert auch eine fiktionalisierte Version des malischen Autors Yambo Ouologuem, dem Sarr seinen Roman gewidmet hat. 1968 wurde Ouologuem für seinen Debütroman Le devoir de violence in Frankreich mit dem renommierten Prix Renaudot ausgezeichnet, sah sich jedoch anschließend mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert. Ausgerechnet im Erscheinungsjahr von Roland Barthes’ Tod des Autors übersah die Literaturkritik, dass hinter Ouologuems Collagetechnik eine strategische Antiauthentizität steckte, aus der dieser im Übrigen nie ein Geheimnis gemacht hatte. 1970 listete Ouologuem in einem Brief nicht nur zahlreiche seiner Intertexte auf, sondern erklärte auch, dass in seinem Roman ursprünglich Anführungszeichen und Quellennachweise zur Markierung fremden Materials vorgesehen waren.[7] Statt einer intensiven Auseinandersetzung mit Ouologuems intertextuellem Verfahren kam es jedoch zu einer juristischen Debatte, in deren Folge das Buch für mehrere Jahrzehnte vom Markt verschwand.[8] Die Parallelen zwischen dem realen Fall Ouologuems aus dem Jahr 1968 und dem fiktiven Fall Elimanes von 1938 sind augenfällig.
Mit der Entscheidung, Elimanes Debüt in die 1930er Jahre zu verlegen, schafft Sarr eine historische Tiefe, die es ihm erlaubt, auf weitere vergleichbare Kontroversen anzuspielen. So war schon René Maran, der 1921 als erster Schwarzer Autor mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet wurde, vorgeworfen worden, er habe andere Kolonialromane ›pastischiert‹; am Roman Force-bonté des senegalesischen Autors Bakary Diallo von 1926 wurde die angebliche Einfachheit und Mündlichkeit afrikanischer Literatur vermisst; und nach der Veröffentlichung von Le regard du roi des guineischen Autors Camara Laye 1954 wurden Zweifel an seiner Autorschaft geäußert, weil sein Stil als zu weit entfernt von einer afrikanischen ›Authentizität‹ wahrgenommen wurde. Angesichts dieser vergleichbaren Fälle in der frankophonen Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts griffe es zu kurz, Die geheimste Erinnerung der Menschen als Schlüsselroman zu lesen. Wenn auch einige Figuren (allen voran Elimane) an reale Personen (wie Ouologuem) angelehnt sind, scheint es Sarr weniger um deren individuelle Biographien zu gehen als um die größeren Zusammenhänge und Kontinuitäten.[9]
Identitätspolitik und literarische Qualität
Auch Die geheimste Erinnerung der Menschen blieb trotz seines großen internationalen Erfolgs – der Auszeichnung mit dem Prix Goncourt 2021 folgten Übersetzungen in zahlreiche Sprachen – nicht von Kontroversen verschont. In Deutschland löste ein in der Zeit veröffentlichter Artikel von Juliane Liebert und Ronya Othmann einen Eklat aus. Die beiden Schriftstellerinnen waren Teil der Jury des renommierten Internationalen Literaturpreises, der Sarr und den deutschen Übersetzer:innen seines Romans, Holger Fock und Sabine Müller, 2023 vom Berliner Haus der Kulturen der Welt (HKW) verliehen wurde. In ihren detaillierten Schilderungen der Jurysitzungen warfen sie den anderen Juror:innen und dem HKW vor, auf Grundlage von Identitätspolitik statt literarischer Qualität entschieden und somit gegen die eigenen Kriterien der Preisvergabe verstoßen zu haben.[10] Dass Liebert und Othmann gegen eine Verschwiegenheitsklausel verstießen, noch dazu kurz vor Veröffentlichung der Shortlist 2024, wurde als notwendiges Opfer für den angeblich reinen Blick auf Literatur beschönigt.
Während die anderen Jury-Mitglieder und das HKW die Vorwürfe einer Benachteiligung weißer Autor:innen dementierten, machten die Literaturkritikerin Insa Wilke und die Schriftstellerin Mithu Sanyal (unabhängig voneinander) darauf aufmerksam, dass die Debatte Ästhetik vs. Politik alt und wiederkehrend ist.[11] Sie wird immer dann besonders laut geführt, wenn es Veränderungen in der Debattenkultur gibt und wenn mehr Menschen die Möglichkeit haben und nutzen, sich daran zu beteiligen. Im Literaturbetrieb waren das ab den 1970er Jahren zunächst vor allem Debatten um die Sichtbarkeit des Schreibens von Frauen und Arbeitsmigrant:innen. Heute ist gesellschaftliche Vielfalt aufgrund vorangegangener Bewegungen und Aktivismen zwar sichtbarer als früher, es kämpfen aber nach wie vor zahlreiche, vor allem migrantisierte und rassifizierte Schriftsteller:innen für »gleiche Zugangschancen« zum Literaturbetrieb.[12] Sie fordern, dass ihre Werke nicht allein aufgrund ihrer ›Identität‹ als unliterarische Betroffenheitsliteratur aussortiert bzw. ausschließlich autobiographisch und identitätspolitisch rezipiert werden. Auch sollte ihr Schreiben nicht länger bestimmten Erwartungshaltungen – Autor:innen mit Migrationsgeschichte schreiben über Migration, Schwarze Autor:innen über Rassismus usw. – entsprechen müssen, um überhaupt publiziert oder rezipiert zu werden. Wie Sharon Dodua Otoo in ihrer Eröffnungsrede »Dürfen Schwarze Blumen Malen?« zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2020 mit Blick auf die Literatur Schwarzer deutscher Autor:innen feststellte, tragen diese eine »Bürde der Repräsentation«: »Auch wenn wir es wollen, steht unsere Kunst nicht für sich allein – sie wird zur Repräsentation einer ganzen Community.«[13]
Ein anderes Problem der Diskussionen um das vermeintliche Jury-Whistleblowing liegt darin, dass die mündlichen Aussagen von Juror:innen, die Liebert und Othmann ein Jahr später teils wörtlich zitieren, häufig wie schriftliche Belege behandelt wurden. Die Konsequenz: »Die Diffamierten können sich nicht wehren. Man hält ihnen entgegen: Doch, das habt ihr so gesagt, wir erinnern uns daran. Und das bleibt hängen, selbst wenn die Aussagen frei erfunden oder rhetorisch zugespitzt wurden.«[14] – Im Text von Liebert und Othmann offenbaren sich Parallelen zu jener Cancel-Praxis, die Sarr in seinem Roman vorführt: Schließlich war es Bobinals – wie sich später herausstellen sollte – frei erfundener senegalesischer Mythos, mit dem die Plagiatsaffäre eröffnet und der Rezeption eine bestimmte Richtung vorgegeben wurde. So trug dieser unhaltbare Plagiatsvorwurf eines renommierten Wissenschaftlers maßgeblich dazu bei, Elimane und sein Buch in der Obskurität verschwinden zu lassen. Der Artikel von Liebert und Othmann ist ebenso wie jener Bobinals diffamierend. Er beschädigt unabhängig von der Redlichkeit ihrer Vorwürfe, die angenommen oder angezweifelt werden kann, die in der Diskussion stehenden Autor:innen und Juror:innen.[15] Damit haben sie zwar weder Sarrs Roman (um dessen Inhalt und Form[16] es in der ganzen Debatte überhaupt nicht ging) noch den Internationalen Literaturpreis gecancelt, aber ganz sicher auch nicht dazu beigetragen, dass mehr über die Literarizität der nominierten und ausgezeichneten Romane gesprochen wurde.
2024 ging der Preis an Pajtim Statovci und Stefan Moster, einen weißen finnischen Autor und seinen weißen deutschen Übersetzer. Selbst wenn, oder vielleicht gerade weil diese Entscheidung für den Roman Meine Katze Jugoslawien nicht nach einer identitätspolitischen Übererfüllung aussieht, ist der angerichtete Schaden noch immer spürbar. Medienberichte über die Preisverleihung verweisen beinahe geschlossen auf die Kritik an der vorherigen[17] – meist kurz bevor oder nachdem auf den Umstand hingewiesen wird, dass Statovci im Alter von zwei Jahren mit seinen albanischen Eltern aus dem Kosovo nach Finnland gekommen sei und eben diese Fluchterfahrung und seine Queerness im Roman verarbeitet habe.[18] Von einer Einschätzung, ob die Anschuldigungen Lieberts und Othmanns in einer positiven, den Preis rehabilitierenden, oder in einer negativen, die Vorwürfe bestätigenden Weise mit der aktuellen Juryentscheidung zu verknüpfen sind, nehmen die mir bekannten Berichte alle Abstand.
Die Unlust an einer Positionierung (auch seitens des HKW) in der wichtigen Frage nach der Rolle von Ästhetik und Politik bei der Vergabe dieses Literaturpreises deutet an, dass sich Liebert und Othmann durch ihre Kritik an der angeblichen Benachteiligung weißer Autor:innen letztlich an der Schädigung einer viel größeren Sache beteiligt haben: des Vertrauens in die Möglichkeit, eine sachliche Diskussion über die – auch – literaturpolitische Funktion von Literaturpreisen führen zu können, und letztlich auch darüber, welche Autor:innen und Werke warum übergangen oder beachtet werden, wie das die literarische Landschaft prägt und was es über unsere Gesellschaft und ihre Institutionen, einschließlich der wissenschaftlichen, aussagt.
Die Literaturwissenschaftlerin Sandra Folie arbeitet am ZfL im ERC-Projekt »Schwarze Narrative transkultureller Aneignung: Literarische Akte des Konstruierens afroeuropäischer Welten und der Infragestellung europäischer Grundlagen«. Auf dem ZfL BLOG erschien von ihr zuletzt »Aspekte Schwarzer Geschichte(n) in ›Berlin Global‹. Eine Führungs- und Ausstellungsreflexion«.
[1] Bei der jährlichen Klausurtagung kommen die Mitarbeiter:innen des ZfL abseits des institutionellen Alltags für zwei Tage zusammen, um ein gemeinsam ausgewähltes Buch zu diskutieren. Die Klausurtagung bot Gianna Zocco und mir somit die Gelegenheit, uns mit Kolleg:innen anhand eines konkreten Texts über unsere Forschung zu afroeuropäischen Literaturen auszutauschen. Damit gehört dieser Beitrag auch zu unserer im Februar 2024 gestarteten Blogserie, für die wir uns mit Berliner Orten und Institutionen beschäftigen, die für eine afroeuropäisch fokussierte Literatur- und Kulturforschung relevant sind.
[2] Mohamed Mbougar Sarr: Die geheimste Erinnerung der Menschen, aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller, 6. Aufl. München 2023; alle Zitatnachweise erfolgen unter Angabe der Seitenzahl im Text.
[3] Irene Albers und Andreas Schmid: »Literatur als koloniale Beute? Für eine philologische Provenienzforschung«, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 97.4 (2023), S. 1003–1018, hier S. 1004.
[4] Andrea Geier: »Debatte über ›Cancel Culture‹. Wie Kampfbegriffe den Diskurs prägen«, in: Deutschlandfunk Kultur, 24.9.2022. Der Begriff Cancel Culture war ursprünglich im linken Milieu entstanden, um Ausgrenzung und sexistische wie rassistische Diskriminierung anzuklagen. Inzwischen hat jedoch eine Umdeutung bzw. Aneignung durch rechtskonservative und -extreme Politiker:innen und Publizist:innen stattgefunden. Vgl. Martina Thiele: »Cancel Culture«, in: Journalistikon. Das Wörterbuch der Journalistik, 10.7.2022.
[5] Diese Ausformung der gegenwärtigen literarischen Cancel Culture steht im Fokus des Bands Canceln. Ein notwendiger Streit (hg. von Annika Domainko u.a., München 2023).
[6] Dessen Roman Die wilden Detektive hat Sarr den Titel seines Romans entlehnt.
[7] Vgl. Elara Bertho: »Écrivains ›noirs‹ et prix littéraires. Enquête et contre-attaque selon Mohamed Mbougar Sarr«, in: Annales. Histoire, Sciences Sociales 77.3 (2022), S. 491–507, hier S. 499.
[8] Der Roman wurde in Frankreich erstmals wieder 2003 von Le Serpent à Plumes veröffentlicht, war dann aber schnell vergriffen. 2018 gab es eine Neuausgabe bei Ouologuems ursprünglichem Verlag Le Seuil. 2019 erschien bei Elster & Salis eine durchgesehene und geringfügig korrigierte Textfassung der deutschen Übersetzung von 1969.
[9] Bertho zitiert aus Rezensionen der Werke von Maran, Diallo, Laye und Ouologuem und zeigt, dass einige Formulierungen Eingang in die fiktiven Rezensionen des Labyrinths gefunden haben. Vgl. Bertho: »Écrivains ›noirs‹ et prix littéraires« (Anm. 7), S. 501–503.
[10] Juliane Liebert und Ronya Othmann: »Die Jury«, in: Die Zeit 22, 15.5.2024.
[11] Insa Wilke: »›ZEIT‹-Artikel um Literaturpreis: ›Die Arbeit von Jurys ist bedroht‹«, NDR, 17.5.2024; Mithu Sanyal und Ijoma Mangold: »Gibt es einen reinen Blick auf Literatur – frei von Politik?«, in: Die Zeit 23, 23.5.2024.
[12] Sanyal/Mangold: »Gibt es einen reinen Blick auf Literatur – frei von Politik?« (Anm. 11).
[13] Sharon Dodua Otoo: »Dürfen Schwarze Blumen Malen?«, in: Herr Gröttrup setzt sich hin. Drei Texte. Mit Zeichnungen der Autorin, Frankfurt am Main 2022, S. 28–47, hier S. 45.
[14] Insa Wilke: »Interna aus HKW-Literaturpreis-Jury: ›Das Ende des Anstands‹«, in: Der Freitag, 17.5.2024.
[15] Selbst bei angenommener Redlichkeit und folglich Ungerechtigkeit der Juryentscheidung wirkt die Annahme Lieberts und Othmanns, dass nur weiße Autor:innen »Opfer von Identitätspolitik« sind, reichlich naiv, »da ja so viel Identitätspolitik unsichtbar wirksam ist«. Vgl. Sanyal: »Gibt es einen reinen Blick auf Literatur« (Anm. 11).
[16] Vgl. hierzu mein Textporträt für die digitale Plattform des Projekts CAPONEU. The Cartography of the Political Novel in Europe.
[17] Z.B. in Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur, Berliner Zeitung, taz. Die teils große Ähnlichkeit der Meldungen mag, wie Die Zeit offenlegt, daher rühren, dass viele nicht oder kaum verändert von der Deutschen Presse-Agentur übernommen wurden. Eine Ausnahme bildet die Meldung des Übersetzerportals, das nicht auf die Anschuldigungen Lieberts und Othmanns verweist.
[18] Dass der Roman bei seinem Erscheinen 2014 nicht als »Migrationsliteratur«, sondern als finnische Literatur kategorisiert wurde, veranschaulicht den jüngsten politischen Wandel in Finnland in Bezug auf die Frage, wer als Finn:in gilt. Siehe Eric Bergmans Textporträt zu Statovcis Roman.
VORGESCHLAGENE ZITIERWEISE: Sandra Folie: Mohamed Mbougar Sarrs »Die geheimste Erinnerung der Menschen« im Zeichen von Ästhetik und Politik, in: ZfL Blog, 24.3.2025, [https://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2025/03/24/sandra-folie-mohamed-mbougar-sarrs-die-geheimste-erinnerung-der-menschen-im-zeichen-von-aesthetik-und-politik/].
DOI: https://doi.org/10.13151/zfl-blog/20250324-01